
Den 24. Mai 2023 wird der Mann wohl niemals vergessen. Es ist der Tag, an dem er am Flughafen Frankfurt plötzlich vor Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stand, dem Politiker die Hand gab und ihn umarmte.
Es ist aber auch der Tag, der in Sicherheitskreisen noch lange in Erinnerung bleiben wird, weil er für eine öffentliche Blamage ihrerseits steht. Denn: Der Fünfzigjährige, der an diesem Dienstag auf der Anklagebank des Frankfurter Amtsgerichts sitzt, hätte niemals so nah an den Kanzler herankommen dürfen.
Vor Gericht steht er nicht, weil er den Bundeskanzler umarmt hat. Das ist theoretisch nicht verboten. Anders sieht es mit den Vorfällen aus, die zu dieser Aktion geführt haben: Auf der Autobahn drängte er sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 150 Stundenkilometern zwischenzeitlich in eine Autokolonne, die Regierungsvertreter aus der Tschechischen Republik zum Flughafen brachte. Durch das riskante Fahrmanöver mussten die Wagen dahinter stark bremsen, wie ein Polizist als Zeuge aussagt.
Gefeiert und von Kokain aufgeputscht
Der Auslöser für das „halsbrecherische“ Verhalten des Angeklagten sei sein vorangegangener Drogenkonsum gewesen, sagt der Staatsanwalt. Die Anklage wirft ihm deshalb Gefährdung des Straßenverkehrs vor. Aufgrund des Drogenkonsums geht die Staatsanwaltschaft außerdem von einer „erheblich verminderten Schuldfähigkeit“ des Mannes aus. Daneben muss sich der Angeklagte auch wegen Hausfriedensbruch verantworten, weil er unerlaubt auf das Flughafengelände vorgedrungen ist.
Den Drogenkonsum gibt der Mann vor Gericht reumütig zu. Er sagt, er habe auf einer Party am Tag zuvor „zwei- oder dreimal geschnuffelt“, womit er den Konsum von Kokain meint. Eineinhalb Gramm will er nach eigenen Angaben konsumiert haben. Weil er die ganze Nacht wach und zu müde zum Autofahren gewesen sei, habe er am nächsten Tag um die Mittagszeit abermals die Droge konsumiert.
Handzeichen falsch gedeutet
Als er abends mit dem Auto auf dem Weg nach Hause war, habe ein Polizist auf einem Motorrad ihn per Handzeichen angewiesen, sich in den vorbeifahrenden Konvoi einzureihen, sagt er. Er sei dann davon ausgegangen, dass man ihn habe kontrollieren wollen, und sei deshalb den Fahrzeugen hinterhergefahren und habe sich angepasst, indem er ebenfalls die Warnblinklichter einschaltete. Erst am Flughafen habe er gemerkt, dass etwas nicht stimmt. „Ich hatte keine Zeit zu sagen: ‚Hallo Leute, ich gehöre hier nicht dazu.‘“
Nachdem er gemerkt habe, in welche Situation er hineingeraten war, habe er sich dazu entschlossen, sich den anderen Leuten anzuschließen. Den Vorfall beschreibt er selbst als bittersüßes Ereignis. „Ich war plötzlich mittendrin, ohne das zu wollen, aber ich hatte auch so ein Glücksgefühl, weil alle fröhlich waren und geklatscht haben.“ Da die restlichen Anwesenden Olaf Scholz verabschiedet und ihm einen schönen Urlaub gewünscht hätten, habe er dies auch getan. „Eigentlich war es ein schöner Abend mit dem Kanzler und so.“
Der Polizist, der an dem Tag beobachtete, wie der Angeklagte sich in den Konvoi drängte, hatte zwar einen Funkspruch über den Vorfall abgegeben, aber die Situation nicht als gefährlich eingestuft. Er sagt, als er Blickkontakt mit dem Angeklagten aufgenommen habe, habe dieser ihn angegrinst und ihm zugewinkt. „Ich habe mich natürlich geärgert, dass er in meiner Kolonne war, aber ich habe gedacht, der hat keine bösen Absichten.“
Peinlich für die Sicherheitsbehörden
Der Vorfall hatte unter den Sicherheitsbehörden Diskussionen ausgelöst über die Frage, wer an der Panne schuld sei. Eindeutig ist aber, dass das Sicherheitssystem an mehreren Stellen versagt hat. Unklar ist auch nach dem Prozess, wie genau der Mann auf das Flughafengelände gelangte. Laut dem Polizisten, der als Zeuge davon berichtet, wie der Mann sich in den Konvoi drängte, hatte der Angeklagte diesen noch vor dem Flughafen wieder verlassen und überholt.
Der Verteidiger geht davon aus, dass sich der Angeklagte dann abermals einer anderen Kolonne anschloss und mit dieser auf das Gelände fuhr. An dem Tag waren verschiedene Wagengruppen auf dem Weg von einer Feier der Europäischen Zentralbank zum Flughafen. In einer davon saßen Bundeskanzler Scholz und der damalige Finanzminister Christian Lindner (FDP).
Für die Strafzumessung spielt dies aber keine Rolle. Das Gericht verurteilt den Mann am Ende zu einer Geldstrafe in Höhe von 150 Tagessätzen zu je 30 Euro. Der Führerschein war ihm bereits entzogen worden, als er drei Monate nach der Umarmung des Kanzlers noch einmal beim Fahren unter Drogeneinfluss erwischt wurde. Das Gericht ordnete am Dienstag außerdem an, dass ihm in den nächsten zweieinhalb Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Das Urteil ist rechtskräftig.