Wie der „Crocodile Chair“ von Phantom Hands entstand

Und der Lehnstuhl, der hat Zähne. Doch die trägt er nicht im Gesicht, sondern an den Lehnen, am Rücken und an den Beinen. Der mit hölzernen Zacken bewehrte Sessel heißt auch nicht Haifisch-, sondern Krokodilstuhl, im Original „Crocodile Chair“. Begleitet wird er von einem gleichermaßen zackigen Fußhocker. Dieses so ungewöhnliche wie expressive Möbelduo hat der Schweizer Grafikdesigner Felix Pfäffli für den Hersteller Phantom Hands aus Indien entworfen, es wurde kürzlich zum ersten Mal in Deutschland bei Andreas Murkudis in Berlin vorgestellt.

Das Zick-Zack-Muster entstand „aus der Freude, Dinge anders zu machen, als man sie intuitiv machen würde“, sagt Pfäffli. „Eine meiner kreativen Taktiken ist ganz einfach: Mach genau das Gegenteil von dem, was sich normal anfühlt. So entstehen oft überraschende Formen.“ Pfäffli lebt in Luzern und führt die Grafikdesign-Agentur Studio Feixen. Der Kontakt zu dem im indischen Bangalore beheimateten Unternehmen Phantom Hands kam über die Mitgründerin und Künstlerin Aparna Rao zustande, die an der Eidgenössisch-Technischen Hochschule Zürich ein Forschungsprojekt zu Robotik und Design leitete.

Inspiriert durch die indische Planstadt Chandigarh

Doch während die munteren Zacken Felix Pfäfflis ureigene Idee sind, basiert die grundlegende Form von Sessel und Fußhocker auf historischen Möbeln aus der indischen Planstadt Chandigarh. Verschiedene Sessel, Stühle, Hocker und Tische waren in den Fünfzigerjahren von örtlichen Handwerkern hergestellt worden, um die Gebäude der von Le Corbusier geplanten neuen Hauptstadt Punjabs auszustatten.

Als Chandigarh-Möbel sind sie seit den frühen Nullerjahren international begehrt und werden in Galerien, auf Auktionen und Messen teilweise hoch gehandelt. Aparna Rao und ihr Geschäftspartner Deepak Srinath wurden auf die Holzmöbel aufmerksam, weil sie nach Stücken für ihren Vintagehandel suchten. Als sie feststellten, dass die Möbel nicht mehr hergestellt wurden, zogen sie unter dem Namen Phantom Hands eine eigene Produktion auf und brachten 2015 mit „Project Chandigarh“ ihre erste Kollektion auf den Markt. Nach und nach kamen Entwürfe von internationalen zeitgenössischen Designern wie Klemens Grund, Big-Game, Inoda+Sveje oder zuletzt Felix Pfäffli dazu.

Die Chandigarh-Möbel mit den typischen V- und X-förmigen Gestellen bilden jedoch bis heute den Kern der Phantom-Hands-Kollektion. Einige der Modelle werden auch von anderen Unternehmen wie Cassina aus Italien produziert und dabei meist Pierre Jeanneret zugeschrieben. Le Corbusiers Cousin war ebenfalls Architekt und gehörte zu seinen engsten Mitarbeitern bei der Planung Chandigarhs. Doch die eindeutige Zuschreibung an Jeanneret ist in der Forschung umstritten, seine Nachkommen halten auch nicht die Rechte an den Entwürfen.

Bei Phantom Hands ist man überzeugt, dass die Möbelstücke nicht nur von Jeanneret alleine, sondern von anderen Beteiligten – Architekten, Designern und Handwerkern – gestaltet worden waren, zum Teil auf Basis historischer Typologien. Für Pfäffli ist es vor allem die ikonische Form, die den Chandigarh-Sessel für eine Neuinterpretation prädestinierte. „Ich mag den Stuhl einfach sehr.“