
Welch lustiger Zufall, dass gerade erst „Konklave“ in den Kinos lief, Edward Bergers Adaption des gleichnamigen Romans von Robert Harris. Eine Geschichte darüber, wie sich rund um die Wahl eines neuen Papstes eine Verschwörung entspinnt. In dieser Hinsicht stand das Internationale Olympische Komitee (IOC) der katholischen Kirche traditionell wenig nach, weder was die Intrigen betrifft noch die Art, mit der man sich und seine Wahl wichtig nimmt.
Sechs Kandidaten und eine Kandidatin stehen am Donnerstag in einem Fünf-Sterne-Resort nahe dem griechischen Küstenort Romanos bereit, um zum zehnten Oberhaupt in der 130-jährigen Historie des IOC aufzusteigen. Der Franzose David Lappartient, Präsident des Radsport-Weltverbands, der britisch-schwedische Milliardär Johan Eliasch, Chef des Ski- und Snowboard-Weltverbands Fis, Turn-Weltverbandspräsident Morinari Watanabe aus Japan, Jordaniens Prinz Faisal bin Al Hussein, die einstige Schwimm-Olympiasiegerin Kirsty Coventry aus Simbabwe, der spanische Investmentbanker Juan Antonio Samaranch jr. sowie Leichtathletik-Weltverbandschef Sebastian Coe. Seriöse Chancen haben nach Lage der Dinge aber nur die letzten drei Genannten.

:Wird der nächste IOC-Präsident wieder ein Samaranch?
Juan Antonio Samaranch jr., Sohn des einstigen IOC-Patrons, hat tatsächlich gute Chancen, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees zu werden und die Familiendynastie fortzuschreiben. Doch Juanito spielt ein riskantes Spiel.
Um zu gewinnen, braucht es die absolute Mehrheit aus dem Plenum der 109 stimmberechtigten Mitglieder. Strömungen sind schwer zu greifen in einem Elektorat, das sich zusammensetzt aus politischen Würdenträgern (Katars Emir Tamim bin Hamad Al-Thani), Land- und Hochadel (Prinz Albert II. von Monaco, Prinzessin Nora von Liechtenstein), Verbandsfürsten (Fifa-Boss Gianni Infantino) und olympischem Blaublut (Biathlon-Olympiasieger Martin Fourcade). Deutschland hat, neben Noch-Präsident Thomas Bach, zwei Mitglieder im IOC: den Unternehmer Michael Mronz, vor allem bekannt als Kopf des Reitturniers CHIO, sowie die einstige Turnerin Kim Bui, die seit 2024 in der Athletenkommission des IOC sitzt. Bach wird am Donnerstag übrigens nicht mitwählen – es sei denn, es kommt am Ende zu einem Gleichstand. Und damit willkommen im Dickicht der Unwägbarkeiten.
Die Wahlregeln diktieren, dass nach jeder Runde der Kandidat mit den wenigsten Stimmen ausscheidet – und so lange votiert wird, bis einer oder eine die absolute Mehrheit auf sich vereint. Verkündet wird nach jeder Runde aber in der Regel nur, wen es als Schlusslicht getroffen hat, das volle Zwischenergebnis wird nicht publik. 2001 und 2013 veröffentlichte das IOC hinterher zumindest das Endresultat. Da gewannen Jacques Rogge und Bach jeweils in der zweiten Runde.
Diesmal dürfte es länger dauern als 2001 und 2013
Runde zwei könnte diesmal noch nicht die Entscheidung bringen, denn Coe, Samaranch oder Coventry werden zunächst kaum die absolute Mehrheit auf sich vereinen. Und bis einer oder eine der Favoriten die Wähler der Ausgeschiedenen zu sich gezogen hat, könnte es dauern. Hinzu kommt, dass erst, wenn ein Kandidat ausgeschieden ist, die IOC-Mitglieder aus dessen Land mitstimmen dürfen. Diese Dynamik, vermuten Kenner, könnte gegen Coventry arbeiten, sofern sie in Runde eins nicht klar vorne liegen sollte.
Allerdings ist da noch der Umstand, dass über 70 der aktuell 109 IOC-Mitglieder in der zwölfjährigen Amtszeit von Thomas Bach ernannt wurden. Der einstige IOC-Doyen Richard Pound hat einmal erzählt, wie der Vater von Juan Antonio Samarach jr. im Jahr 2001, bevor er in Moskau als IOC-Präsident abdankte, viele Mitglieder einzeln in sein Hotelzimmer zitiert habe. Dort habe er jedem gesagt: „Ich habe dich ins IOC geholt, du bist mir einen Gefallen schuldig!“ Damals wollte der alte Samaranch den affärenumwitterten Kim Un-yong aus Südkorea verhindern, der schwer als neues Gesicht einer damals skandalgeschüttelten Organisation durchgegangen wäre. Andererseits spielt bei der Wahl des wichtigsten Amtes im Weltsport immer auch die Weltpolitik mit hinein. Konklave eben.