
Der bange Blick war der eines leidgeprüften Mannes. Allzu oft hatte Marco Rose in den vergangenen Monaten erleben müssen, wie Fußballspiele wegen der Unzulänglichkeiten seiner Mannschaft kippten. Manchmal reichten nichtige Begebenheiten, um dem Verlauf eine andere Richtung zu geben. Ein Foul, eine verpasste Grätsche oder eine ausgelassene Torchance.
Die Szene nach gut einer halben Stunde taugte also für solch einen negativen Kippmoment. Ridle Baku schoss den Ball derart wuchtig ans Gestänge, dass das Tor noch Momente nach dem Aufschlag wackelte. Rund zwanzig Minuten vorher gab es schon mal eine ähnliche Szene. Da war es Lois Openda gewesen, der nur die Latte traf. Zwei Mal Aluminium können einen Trainer verzweifeln lassen, erst Recht wenn er so bescheidene Wochen durchlebt wie Rose gerade.
„Wir sind weiter dabei“
Später am Abend konnte der Trainer von RB Leipzig aber doch feiern. Die dunklen Vorboten hatten sich nicht bestätigt, das vermeintlich heraufziehende Unheil blieb aus. Leipzig siegte 2:0 gegen Borussia Dortmund und schloss zumindest bis Sonntag nach Punkten zur auf Platz vier liegenden Frankfurter Eintracht auf. Um nichts anderes geht es bis zum Saisonende für RB. „Wir sind weiter dabei, wir können weiter unsere Dinge regeln“, sagte Leipzigs Trainer Marco Rose.
Platz vier und der damit verbundenen Qualifikation für die Champions League rückt für Borussia Dortmund nach der nächsten Niederlage immer weiter in Ferne. Sieben Punkte Rückstand auf Leipzig sind eine gewaltige Hypothek für die unstete Mannschaft, die unter der Woche noch in Lille triumphierte und den Einzug ins Viertelfinale der Champions League schaffte. Dort geht es im April gegen den FC Barcelona. Echte Höhepunkte, die womöglich die letzten für längere Zeit auf internationaler Bühne sein könnten.
Gemessen an all den Zukunftsängsten, die im Spiel waren, entwickelte sich ein sehr interessantes, intensives Aufeinandertreffen. Dortmund begann gut, aber der Lattentreffer von Openda weckte Erinnerungen an die letzten misslichen Auftritte in der Bundesliga. Von den letzten sechs Spielen gingen nun vier verloren, kaum eine Mannschaft schwankt so stark in ihren Leistungen wie der BVB.
Die erste Hälfte in Leipzig taugte als Spiegelbild. Zwischen der fünfzehnten und fünfunddreißigsten Minute verschwand Dortmund völlig vom Radar. In diese Zeit fielen die Aluminiumtreffer von Openda und Baku sowie das Führungstor durch Xavi Simons. Der Niederländer war zuletzt heftig kritisiert worden, weil sein Spiel nach längerer Verletzungspause noch nicht dem der vergangenen Saison gleicht. Auch er ist dieser Tage ein Quell der Unbeständigkeit.
Wichtiger Erfolg für Marco Rose
Simons jubelte, indem er dem Publikum eine Mund-zu-Geste zuwarf. Dabei schaute er so geknickt, als hätte er einen entscheidenden Elfmeter verschossen. Die Leipziger Gefühlswelt ist schwer aus dem Gleichgewicht geraten ob der wechselhaften Ergebnisse. Nach der Niederlage vor zwei Wochen gegen Mainz war abermals über eine Ablösung von Trainer Marco Rose spekuliert worden. Die nahende Länderspielpause wurde immer wieder als möglicher Termin genannt. Sieg und Leistung gegen Dortmund lassen dieses Szenario aber absurd erscheinen.

Rose, der sein erstes Spiel als Trainer von RB Leipzig vor zweieinhalb Jahren gegen Dortmund bestritten und gewonnen hatte, durfte das Geschehen schon kurz nach der Pause etwas ruhiger verfolgen. Openda verwandelte eine Ecke am hinteren Pfosten lauernd mit dem Schienbein. Der Vorsprung verfehlte aber seine Wirkung, Leipzig wollte mit aller Macht beweisen, dass man in dieser Saison in der Lage ist, die sichersten Führungen zu verspielen. Siehe das 3:0 in Bochum. Dortmund verweigerte aber den Beweis.
„Es war dann wie so oft“
Karim Adeyemi, Julian Brandt, Serhou Guirassy und Pascal Groß alles, was gemeinhin als hundertprozentige Torchance bezeichnet wird. „Wir haben ein Spiel verloren, das wir nicht hätten verlieren dürfen“, sagte Dortmunds Trainer Niko Kovac. Der BVB hätte das Spiel innerhalb von zehn Minuten drehen können. Scheiterte aber mehr an sich selbst denn an der Leipziger Abwehr oder dem hervorragenden Torwart Peter Gulacsi.
„Es war dann wie so oft. Dortmund legt den Schalter in die eine und wir in die andere Richtung um“, sagte Christoph Baumgartner. Anfang der Woche reist der Österreicher zur Nationalmannschaft. „Dort werden wir dann nicht über das Spiel sprechen, sondern nur darüber, wer gewonnen hat“, sagte Baumgartner.