
Drei Millionen Arbeitslose, eine Million Langzeitarbeitslose, diese Zahlen zeigen, dass etwas gründlich schiefläuft auf dem Arbeitsmarkt. Und wer meint, dies durch ein paar Änderungen am Bürgergeld korrigieren zu können, sehe sich besser auch folgende Zahlen an: Großhandel minus 15 Prozent, Gastgewerbe minus 15,5 Prozent, Maschinenbau minus 21 Prozent. So stark sinkt dort derzeit das Angebot an offenen Arbeitsstellen, verglichen mit dem Stand vor einem Jahr. Ob Industriekonzern oder Kleinbetrieb, die Nachfrage nach Personal schrumpft in der ganzen Breite der Wirtschaft.
Aber welche Art Politikwechsel haben sich die schwarz-roten Koalitionsverhandler für die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik vorgenommen? Die Sozialabgaben steigen noch schneller auf 50 Prozent des Bruttolohns, weil zusätzliches Geld aus dem Wertschöpfungskreislauf an Rentner fließen soll. Der Anstieg der Arbeitskosten wird mit dem gesetzlichen Mindestlohn weiter verschärft; die Vorgabe von 15 Euro führt hier zu einem Anstieg um 50 Prozent in vier Jahren. Und jenen Betrieben, die sich zum Ausgleich nicht marktgängiger Kostenschübe um Staatsaufträge aus dem 500-Milliarden-Euro-Schuldentopf bemühen könnten, stellt man eine abschreckende neue „Tariftreue“-Bürokratie in den Weg.
Natürlich soll nicht unterschlagen werden, dass Union und SPD auch einige Steuervorteile für Arbeitnehmer planen, die mehr arbeiten; dass sie mit den gesetzlichen Begrenzungen flexibler Arbeitszeitmodelle künftig vielleicht etwas weniger weit über die europarechtlichen Vorgaben hinausgehen, als das hierzulande bisher der Fall ist; und dass sie das Bürgergeld ändern wollen, es läuft wohl darauf hinaus, diese Grundsicherung wieder ungefähr in den Zustand von vor der Ampelkoalition zu versetzen.
Zweifel an der Wirksamkeit geplanter Maßnahmen
Aber wer soll glauben, dass dies die geplanten Mehrbelastungen auffängt oder gar die Wirtschaftsbedingungen in Deutschland verbessert? Anreize für Mehrarbeit und härtere Sanktionen für Bürgergeldbezieher, die Arbeit ablehnen, werden jedenfalls so lange wenig nutzen, wie die Nachfrage nach Arbeitskräften lahmt; solange viele Betriebe Stellen abbauen und noch mehr damit zögern, neue Arbeitsverhältnisse einzugehen, weil sie befürchten, dass sich das nicht rechnet.
Alles ginge leichter, könnten Unternehmen einen politischen Aufbruch zu neuer Dynamik erkennen. Je höher das Vertrauen in den Kurs, desto weniger kommt es darauf an, wann genau was im Gesetzblatt steht. Grundbedingung dafür wäre aber eine plausible Strategie gegen Kostenschübe, Bürokratie und ungedeckte Zukunftslasten; am besten kombiniert mit einem glaubwürdigen Einstieg in die (von Angela Merkel 2008 angekündigte) „Bildungsrepublik Deutschland“.
Jede Hoffnung auf so ein Signal wurde aber durch die Sondierungspläne zur Rentenpolitik im Ansatz zerstört. Und es ist nicht einmal so, dass sich die Unionsseite zu diesem hohen Preis gezwungen sah, um in heikler Weltlage einer erpresserischen Ausstiegsdrohung der SPD zu entgehen. Letztere will zwar unter dem wohligen Begriff „Rentenniveau sichern“ den Demographiefaktor ausschalten, der die Rente in der alternden Gesellschaft stabilisiert. Die nächste Stufe der „Mütterrente“ wurde aber von der CSU durchgedrückt. Bis dahin gab es nur Zweifel, ob dem vor der Wahl angekündigten Politikwechsel zu trauen sei, dieser Schritt liefert den Beweis.
Schulden: Eineinhalb Billionen Euro zur Diskussion
Betrachtet man nur die Kostenwirkung, geht es bei der Mütterrente zwar um „Peanuts“ von etwa 50 Milliarden Euro in den nächsten zwanzig Jahren, verglichen mit 500 Milliarden Euro, die ein Ausschalten des Demographiefaktors den Wertschöpfungskräften der Wirtschaft entzieht. Politisch aber absorbiert das CSU-Projekt nun leider große Teile der Aufmerksamkeit, die darauf zu richten wäre, ob die Aufnahme zusätzlicher Staatsschulden von fast einer Billion Euro eigentlich der passende Anlass ist, um ungedeckte Rentenversprechen von noch einmal einer halben Billion Euro zu verteilen.
Obwohl akuter Zeitdruck nur im Hinblick auf schuldenfinanzierte Verteidigungsausgaben von 400 Milliarden Euro festzustellen ist, geht es nun um insgesamt eineinhalb Billionen Euro, die heutige und künftige Arbeitnehmer- und Unternehmergenerationen abarbeiten sollen, ohne dass davon irgendetwas netto auf ihr Konto kommt.
Anders als das gescheiterte Rentenpaket der Ampel sehen die Pläne von Schwarz-Rot übrigens nicht einmal vor, die Kosten ihrer Versprechen wenigstens teilweise mit einem Mechanismus wie dem Generationenkapital zu dämpfen. Falls der designierte Kanzler Friedrich Merz nicht noch eine unbekannte Zauberformel in der Tasche hat, braucht es wirklich sehr viel Optimismus, um zu glauben, dass so eine Kehrtwende zu neuem Wachstum gelingen kann.