
Manchmal wirkte es in den vergangenen Jahren so, als werde ein öffentlicher Wettkampf darum ausgefochten, wer es am schwersten hat. Aus den klassischen und den sozialen Medien sowieso drang ein stetiges Klagen, man werde aufgrund seiner Identität grundsätzlich schlechter angesehen als die Angehörigen anderer Gruppen. Zum Beispiel zählt es zu den häufig geführten Beschwerden, man sei wegen seines Alters oder seines Geschlechts oder gleich wegen der Kombination aus beidem weniger gut angesehen als andere. Aber trifft das denn für diese beiden Merkmale zu – und wenn ja, für wen, für Alte, für Junge, für Frauen, für Männer?
Angela Shakeri und Michael North von der New York University haben gerade eine Meta-Analyse im Fachjournal Psychological Bulletin veröffentlicht, für die sie 55 Publikationen mit etwa mehr als 37 000 Probanden ausgewertet haben. Demnach werden jüngere Menschen im Schnitt tatsächlich in etwas positiverem Licht betrachtet als jene, die in einem Alter jenseits der 55 sind. Und – diesen Teil der Erkenntnis bezeichnen die beiden Wissenschaftler als „durchaus überraschend“ – werden Frauen unter 55 Jahren durch die Bank deutlich wohlwollender betrachtet als Männer.
In fortgeschrittenem Alter verschwindet dieser Unterschied zwischen den Geschlechtern: In den Jahren jenseits der 55 unterscheidet sich das Urteil laut der Analyse nicht mehr nach Geschlecht. Lediglich in den Einzelfaktoren, aus denen sich ein Gesamteindruck zusammensetzt, finden sich noch ein paar Unterschiede. Für die getestete Hypothese, wonach es Frauen mit den Jahren erst recht schwer hätten, weil sie aufgrund von Geschlecht und Alter gleich doppelt abgewertet würden, fanden sich jedenfalls keine Belege.
Ältere Frauen gelten als besonders warmherzig
Die ausgewerteten Daten stammen aus den USA, Deutschland, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Schweden und Australien. Dabei ergab sich die Herausforderung, so die Autoren, dass die in den einzelnen Studien definierten Alterskohorten selten mit den Einteilungen in anderen Publikationen übereinstimmten. Es herrschte ein gewisses Durcheinander. Shakeri und North teilten die Probanden nun in drei Altersgruppen ein: jene zwischen 18 und 34 Jahren, die zwischen 35 und 54 Jahren und schließlich alle, die 55 Jahre und älter waren. Anschließend werteten die Forscher die Einstellungen aus, welche die Probanden in den einzelnen Befragungen gegenüber Frauen und Männern der genannten Altersgruppen zu Protokoll gegeben hatten. Dabei ging es um grobe, allgemeine Einstellungen, aber auch um Einzelfaktoren wie zum Beispiel menschliche Wärme, Kompetenz oder Handlungsmacht.
Im Mittel wurden junge und mittelalte Frauen besser bewertet als die Männer der jeweiligen Altersgruppen. Auch gemessenes Verhalten gegenüber Frauen beider Altersgruppen fiel in entsprechenden, von Shakeri und North ausgewerteten Studien etwas freundlicher aus als das gegenüber Männern. Am positivsten waren die Einstellungen gegenüber mittelalten Personen, also jenen zwischen 35 und 54 Jahren. Jenseits der 55 ergab sich im Schnitt kein signifikanter Unterschied im Gesamturteil zwischen Männern und Frauen mehr. Nur in Einzeldimensionen stießen die Forscher auf Unterschiede: Ältere Frauen wurden im Mittel als besonders warmherzig beschrieben und überflügelten darin gleichaltrige Männer; diese wurden hingegen als handlungsmächtiger bewertet als die Frauen dieser Altersgruppe.
Dass Frauen im Gesamtdurchschnitt aller Altersklassen positiver bewertet wurden als Männer, passe zu weiteren Studienergebnissen, so Shakeri und North. So hätten andere Meta-Analysen vergleichbare Effekte gezeigt. Überraschend seien diese Ergebnisse allenfalls deshalb, weil sich so viele Publikationen mit spezifischen Voreingenommenheiten gegenüber Frauen beschäftigten. Daraus, so das Argument weiter, sei vermutlich der Eindruck entstanden, dass ihr Ansehen im Schnitt etwas geringer sei als das von Männern. Offenbar trifft aber eher das Gegenteil zu.