Übergewichtige Kinder: Forscher rechnen mit deutlichem Anstieg von Adipositasfällen

360 Millionen fettleibige Kinder bis 2050: Hält der aktuelle Trend an, wird ein Drittel der jungen Menschen weltweit in den nächsten 25 Jahren an Übergewicht und den entsprechenden Folgen leiden. Zu diesem Ergebnis kommen australische Forscher – und benennen Gründe.

Jeder dritte junge Mensch könnte in 25 Jahren übergewichtig sein. Das sagt zumindest eine aktuelle Analyse aus, die aktuelle Trends in die Zukunft rechnet. Den höchsten Anteil an Fettleibigen unter den Fünf- bis 24-Jährigen erwarten die Forscher im arabischen Raum – 180 Millionen Menschen. In Deutschland könnten bis zu 23 Prozent der jungen Menschen betroffen sein, mehr als jeder Fünfte. Das wiederum würde eine Welle von Krankheiten auslösen, Diabetes und Herzinfarkte, COPD und Unfruchtbarkeit, Krebs und Depressionen.

Bei 18- bis 24-Jährigen gilt als übergewichtig, wer einen BMI von 25 bis unter 30 aufweist, also bei einer Körpergröße von 170 Zentimetern ab einem Gewicht von 73 Kilogramm. Fettleibig – adipös – ist laut Definition, wer einen BMI von 30 oder mehr hat, also im genannten Beispiel 87 Kilogramm oder mehr wiegt.

Experten machen verschiedene Ursachen aus

Als Ursache nennen die Forscher den ausgedehnten Medienkonsum – Zeit, die bei Bewegung fehlt – und die Umstellung hin zu westlichen Ernährungsweisen. Westlich bedeutet in der Ernährungsforschung: Menschen essen zu viele stärkehaltige Sättigungsbeilagen wie Brot, Kartoffeln und Nudeln und zu viele Fertigprodukte mit verstecktem Zucker und schädlichen Transfettsäuren.

Stärke, Zucker und Transfettsäuren aus gehärtetem Pflanzenfett aber fördern die Fettbildung. Helfen würde es, den Gemüseanteil im Essen zu steigern und für Bewegung zu sorgen.

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Setzen sich aktuelle Trends fort und steuert niemand gegen, könnten bis 2050 3,8 Milliarden Erwachsene und 746 Millionen Kinder und Jugendliche übergewichtig sein. Jeder dritte junge Mensch mit Adipositas wird der Rechnung zufolge in der Region Nordafrika und Naher Osten oder im Bereich Lateinamerika und Karibik leben.

Neue Therapien wie die sogenannten Abnehmspritzen werden in der Studie des Forschungsteams um Jessica Kerr vom Murdoch Children’s Research Institute in Melbourne, Australien, nicht erwähnt. Sie stützt sich auf Daten der Jahre 1990 bis 2021, in denen diese Therapien kaum verbreitet waren. Und auch, dass die Corona-Pandemie den Anteil Übergewichtiger in vielen Ländern steigen ließ und das ein kurzfristiger Effekt sein könnte, der wieder nachlässt, bleibt unberücksichtigt.

Fälle von Adipositas mehr als verdoppelt

In den vergangenen Jahren hatte sich die Fett-Krise der Menschheit immer deutlicher gezeigt. Der Berechnung von Kerrs Team zufolge haben sich die Raten von Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen ab 25 Jahren und Kindern und Jugendlichen zwischen fünf bis 24 Jahren in den letzten drei Jahrzehnten, zwischen 1990 und 2021, global mehr als verdoppelt. Mit einem weiteren deutlichen Anstieg sei gerade bei Adipositas zu rechnen: Bis 2050 könne die Gesamtzahl fettleibiger Kinder und Jugendlicher von rund 174 Millionen auf dann etwa 360 Millionen steigen.

Die Gruppe um Kerr hatte für die im Fachmagazin „The Lancet“ vorgestellte Studie Daten des Projekts „Global Burden of Disease“ genutzt. Für 2050 errechneten die Wissenschaftler, dass der Anteil der Fettleibigen unter den männlichen Kindern zwischen fünf und vierzehn Jahren im globalen Mittel sogar höher liegen werde als der Anteil der Übergewichtigen, hier gelten noch engere Gewichtsgrenzen.

Vor allem ein Armutsproblem: In Ländern mit hohem Einkommen wie Deutschland erwarten sie dagegen etwa gleiche Anteile an Übergewichtigen und Fettleibigen in dieser Altersgruppe.

Die Ergebnisse weisen auf „monumentale gesellschaftliche Versäumnisse und einen Mangel an koordinierten globalen Maßnahmen“ hin, so Kerr. Zumindest einige Länder seien bereits aktiv geworden, als sinnvolles Beispiel nennt der Forscher das Verbot zuckerhaltiger Getränke an Schulen, weniger Stärke aus Nudeln, Kartoffeln und Reis im Schulessen und mehr Sportunterricht.

„Das Ausmaß der Epidemie ist so groß, dass Lösungen in Form von Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit gefunden werden müssen“, betont Thorkild Sørensen von der Universität Kopenhagen, in einem Kommentar zur Studie in „The Lancet“. Noch sei unklar, welche Maßnahmen dabei sowohl machbar als auch wirksam sein werden.

Stefan Parsch, dpa/sk/nihei