
Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg hat nach Missbrauchsvorwürfen im Turnsport Ermittlungen gegen einen früheren Trainer des Stuttgarter Kunstturnforums aufgenommen. Es sei ein Verfahren wegen des Verdachts der Nötigung in mehreren Fällen eingeleitet worden, teilte die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit.
An diesem Donnerstag hätten Ermittler mehrere Objekte durchsucht und Unterlagen sichergestellt, die nun ausgewertet würden. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa wurden unter anderem die Geschäftsstelle des Schwäbischen Turnerbunds (STB) und das Kunstturnforum durchsucht.
Der Deutsche Turner-Bund (DTB) teilte mit, dass ihn die Ermittlungen als sogenannten Dritten betreffen. Das heißt, dass weder der DTB noch Verantwortliche des DTB Beschuldigte des laufenden Ermittlungsverfahrens seien. Beide Verbände begrüßten in ihren Stellungnahmen die strafrechtliche Aufarbeitung. Auch am Sitz der Organisation in Frankfurt am Main soll es Durchsuchungen gegeben haben.
Athleten prangern körperlichen und mentalen Missbrauch an
Kurz vor Weihnachten waren die früheren Spitzenturnerinnen Tabea Alt und Michelle Timm mit schwerwiegenden Vorwürfen gegen den DTB an die Öffentlichkeit gegangen. Sie kritisierten unter anderem „systematischen körperlichen und mentalen Missbrauch“ sowie katastrophale Umstände am Bundesstützpunkt in Stuttgart.
Später geriet auch der Stützpunkt in Mannheim in den Fokus, an dem ebenfalls harsche und autoritäre Trainingsmethoden angeprangert worden waren. Hierzu hatte sich zuletzt auch die deutsche Rekordmeisterin Elisabeth Seitz geäußert und ebenfalls schwerwiegende Vorwürfe über Missstände erhoben. Nach eigener Aussage habe sie diese bereits 2014 dem DTB gemeldet.
Kanzlei und Expertenrat sollen Vorwürfe aufarbeiten
Infolge der öffentlichen Vorwürfe in den vergangenen Wochen forderte das Kultusministerium Baden-Württemberg die Erstellung konkreter Schutzmaßnahmen. Der Deutsche Olympische Sportbund verlangte eine Aufarbeitung und nannte die Vorwürfe „besorgniserregend“.
DTB und STB zogen ebenfalls bereits Konsequenzen. Sie engagierten für die Aufarbeitung Mitte Januar eine Kanzlei aus Frankfurt am Main und setzten einen unabhängigen Expertenrat ein. Zudem gab es personelle Entscheidungen: Ein Trainer-Duo wurde von der Tätigkeit im Stuttgarter Kunstturnforum freigestellt, die frühere Bundestrainerin Ulla Koch lässt ihr Amt als Vizepräsidentin des DTB vorübergehend ruhen.