
Im Interview mit der F.A.Z. wollte der neue Chefredakteur der „Welt“-Gruppe, Jan Philipp Burgard, nicht verraten, wie es zum Gastbeitrag von Elon Musk in der „Welt am Sonntag“ gekommen war. Inzwischen ist es heraus. Der Springer-Aufsichtsrat Martín Varsavsky offenbarte sich als Tippgeber. „Als Freund von Elon“ und Springer-Aufsichtsrat habe er gesehen, dass Musk auf X die AfD unterstütze, und dies als Gelegenheit begriffen, dessen „Ansichten durchdachter und detaillierter darzulegen“.
Er habe die „Welt“-Chefredakteurin Jennifer Wilton angerufen und sich nach ihrem Interesse erkundigt, so Varsavsky auf X. Nach „sorgfältiger Abwägung“ habe sie zugestimmt, dass ein Beitrag von Musk bedeutenden Nachrichtenwert habe und es wert sei, publiziert zu werden. Er habe seinen Freund Elon angerufen, der habe an der Idee Gefallen gefunden und den Text geliefert.
Musk bestätigt den Hergang
So einfach ist das, den Angaben des spanischen Unternehmensgründers und Investors Varsavsky zufolge, der seit 2014 im Aufsichtsrat von Springer sitzt. Sieben Firmen hat der 64-Jährige gegründet: 1998 das Telekom-Unternehmen Jazztel, im Jahr darauf den DSL-Anbieter Ya.com, 2005 den WLAN-Betreiber Fon. Zurzeit, so weist es die bei Springer publizierte Vita des Aufsichtsrats aus, beschäftigt sich Varsavsky mit „Prelude Fertility“, einem Unternehmen, das „Menschen helfen will, gesunde Kinder zu bekommen, wenn sie dafür bereit sind“. 2017 legte Varsavsky mit Springer einen Investmentfonds für Medien-Start-ups auf. Es folgte als gemeinsame Unternehmung das Goggo Network, das Flotten autonomer Fahrzeuge betreiben will.
Dass es sich mit dem Gastbeitrag zutrug, wie von Varsavsky angegeben, hat Musk bestätigt. Dass es sich ohne Kenntnis und Zustimmung des Springer-Vorstandschefs Mathias Döpfner vollzogen haben könnte, halten wir freilich für undenkbar. Sich mit Musk gut zu stellen, passt zu Springers und Döpfners Streben, im internationalen Mediengeschäft in der ersten Liga mitzuspielen, besonders in den USA.
Musks „ultralibertäres“ Denken indes passt zum Springer’schen Freiheitsethos nicht. Hinter der Fassade von Toleranz und Vielfalt verbirgt sich bei Musk ein Hang zur Autokratie. Freiheitsrechte sind bei Musk nur angesagt, solange sie ihm selbst nützen. Deshalb unterstützt er Rechtsextremisten und deren Parteien in ganz Europa. Und deshalb war die Publikation des Gastbeitrags in der „Welt“-Redaktion auch so umstritten.
„X-Space“ mit Alice Weidel, Fake News von J.D. Vance
Die Entscheidung, Musks Text zu drucken, habe man mit Redakteuren „innerhalb der Chefredaktion getroffen. Und nirgendwo sonst“, sagte der neue „Welt“-Chef Jan Philipp Burgard im Interview. Es sei „auch ganz allein“ seine Entscheidung gewesen, dem Gastbeitrag „meine sehr entschiedene Erwiderung entgegenzusetzen“. So kann man sich von den Abläufen im Hause Springer langsam ein Bild machen.
Nicht vergessen werden sollte, was Musk für die AfD leistet. Über einen „X-Space“ – ein Livegespräch auf Musks Plattform – sei man „im Austausch“, sagte ein Sprecher der AfD-Chefin Alice Weidel. Als Termin wurde inzwischen der 9. Januar genannt.
Was die Verharmlosung von deren Partei angeht, hat der designierte US-Vizepräsident J. D. Vance historische Fake News auf Lager. Er unterstütze keine Parteien in anderen Ländern, schrieb er auf X. Doch halte er es für falsch, die AfD als „Nazi-lite“ zu bezeichnen, sei die Partei doch dort in Deutschlands stark, wo der Widerstand gegen die Nazis am größten gewesen sei. Ein Beitrag der Bundeszentrale für politische Bildung, auf den „t-online“ verweist, legt das Gegenteil dar: Stark ist die AfD, wo es die NSDAP auch war, etwa in Thüringen, wo die NS-Partei bei den Landtagswahlen im Juli 1932 auf 42,5 Prozent kam.
Das Portal „t-online“ und der „Tagesspiegel“ hegen derweil den Verdacht, dass sich die Aufregung um den Gastbeitrag um einen Text geht, den Elon Musk gar nicht selbst geschrieben, sondern dafür eine KI eingesetzt hat. Darauf deute die Überprüfung des Textes mit verschiedenen KI-Detektionsprogrammen hin. Der „Tagesspiegel“ legt die Vermutung nahe, Musks Beitrag stamme von „Grok“ – dem KI-Chatbot, den Musks Firma xAI entwickelt hatte. Wäre dem so, könnte man allerdings doch fast wieder von einem Original sprechen. Dann wären Grok und Musk gewissrmaßen eins.