26. Dezember 2024 – 4 Min. Lesezeit
Doppeldeutig
Es war im Mittelalter ausgerechnet der Verlierer, der „Schwein hatte“ – der bekam nämlich, so soll die Redensart entstanden sein, als Trostpreis ein Ferkel. Schweine haben eine lange Geschichte als Symbol für Glück, Wohlstand, Fülle und Fruchtbarkeit: Sie machten ihre Besitzer reich, schließlich hatten sie viele Nachkommen und begnügten sich beim Fressen mit dem, was in der Küche übrig blieb. Wer ein Schwein besaß, war abgesichert. Der Heilige Antonius, Schutzpatron der Haustiere, wurde stets von einem Schwein begleitet. Und ins Schweinchen aus Porzellan kommt das Ersparte. Aber das Schwein hat zwei Seiten, genauer gesagt: die Sicht des Menschen auf das Schwein. Der österreichische Kulturwissenschaftler Thomas Macho hat die Kulturgeschichte des Schweins erforscht. Es stehe für Reichtum und Genuss ebenso wie für Schmutz und Sünde. Schweine sind intelligent, neugierig, kreativ – zugleich ist „Schwein“ ein Schimpfwort. Und Schweine stellt man sich als Talisman aus Porzellan ins Regal, doch lebendig sieht man sie so gut wie nie. „Schweine sind uns nah und fern zugleich“, konstatiert Macho in seinem Buch „Schweine – ein Portrait“. Und sie seien uns in vielerlei Hinsicht ähnlich – oft mehr, als die Menschen sich eingestehen wollen.