Null Bock und Bullshit-Arbeiten: Willkommen in der schönen neuen Arbeitswelt

Vier-Tage-Woche, mobiles Arbeiten oder Remote Work? Die Zeiten, als diese Trends noch für Aufregung gesorgt haben, sind lange vorbei. Heute gehen in den sozialen Medien neue Hype-Wörter viral, die teils hunderttausendfach kommentiert werden. Angefangen von „Bare Minimum Monday“ über Null-Bock-Tage bis hin zu den sogenannten Quiet-Trends. In der New-Work-Welt tut sich was. Junge Menschen der Generationen Y und Z haben andere Ansprüche an ihre Jobs als Boomer. Ob die Trends wirklich neu sind oder lediglich neue Etiketten, darüber lässt sich streiten. Hier ein Überblick:

Act your wage (Arbeit nach Gehaltsklasse)

„Dafür werde ich nicht bezahlt!“ Schon mal gehört? Wer nach „Act your wage“ auf Tiktok oder Instagram sucht, findet viele sarkastische Posts junger Menschen, die feiern, dass sie lediglich so viel arbeiten, wie es ihrer Gehaltsklasse aus ihrer Sicht entspricht. Pünktlich an der Stechuhr den Arbeitsbeginn abstempeln, Pausen machen, Chips essen und bei jeder Gelegenheit sagen: „Weißt du, wie viel ich verdiene?“ So stellt es eine Nutzerin in einem Video dar („POV (Point of View): Acting you wage in 2023“), das bis heute über 800.000 Likes eingesammelt hat. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sollen ihr Arbeitspensum an den Lohn anpassen. Unbezahlte Überstunden, Termine außerhalb der Arbeitszeit sind ein No-Go. So soll vermieden werden, dass der Job zum Lebensmittelpunkt wird.

Bare Minimum Monday (Montags bitte nur so viel wie nötig)

Auch dieser Trend wird in den sozialen Medien heftig gefeiert. Lange Partynächte am Wochenende sollten auskuriert werden. Mit 100 Prozent in die neue Woche zu starten, ist da nicht unbedingt möglich. Vielleicht aber auch gar nicht nötig. Wie heißt es doch: Ein gutes Pferd springt auch nur so hoch, wie es muss. Ein sanfter Start in die Woche und ein gutes Einteilen der Kräfte kann die Produktivität an den folgenden Tagen aber auch durchaus steigern. Das Konzept soll einem unentspannten Sonntag entgegenwirken, bei dem die Gedanken nur um den Berg an Arbeit am Montag kreisen. Die Zielgruppe dieses Trends, den die in den USA lebende Startup-Gründerin Marisa Jo Mayes losgetreten hat, ist jedoch begrenzt. Das Konzept eignet sich eher für Schüler, Studenten oder Büroangestellte, die nicht auf Termin arbeiten. Für Ärzte ist es wohl eher ungeeignet.

Bullshit-Arbeiten (Pseudo-Jobs)

Auch dieser Trend wird in den sozialen Medien heftig kommentiert. Während die einen sich für kleines Geld krumm machen, wird es den anderen großzügig fürs Nichtstun hinterhergeworfen. Bullshit-Jobs sind völlig überflüssig, trotzdem aber häufig gut bezahlt. Das Thema ist alles andere als neu, aber auch nicht totzukriegen. Der Occupy-Vordenker und Anthropologe David Graeber veröffentlichte bereits 2019 ein ganzes Buch über dieses Phänomen und brachte damit eine Lawine ins Rollen. Auf der Plattform Reddit entbrannte im November 2024 eine hitzige Debatte darüber, nachdem ein Finanzangestellter eines Großkonzerns sich ratlos äußerte, warum er 70.000 Euro Gehalt bekommt, wenn er doch nahezu nichts zu tun hat. Für seine Frage an die Community „Arbeitet ihr „wirklich“?“ erntete er einen Shitstorm. Während die einen vor Wut rasten, aggressiv reagierten und „vom Dach kotzen“ wollten, waren andere schlicht ratlos. Dass Bullshit-Jobs bei den Betroffenen „regelmäßig Gefühle der Hoffnungslosigkeit, der Depression und der Selbstverachtung“ auslösen, wie Graebert schreibt, und „Formen einer seelischen Gewalt“ seien, „die sich gegen den innersten Kern dessen richtet, was es bedeutet, ein Mensch zu sein“, kann hart arbeitende Menschen wie Pfleger oder Handwerker nicht trösten. Der Autor schlägt eine radikale Lösung vor: bedingungsloses Grundeinkommen für alle.

Generationen auf dem Arbeitsmarkt

  • Babyboomer: Geboren zwischen 1956 und 1965
  • Generation X: Geboren 1966 bis 1980
  • Generation Y/Millennials : Geboren 1981 bis 1995
  • Generation Z: Geboren ab 1995 bis 2009

Career Cushioning (Karriere-Plan-B immer im Köcher haben)

Der Begriff Cushioning (Abfedern) diente ursprünglich als Strategie bei der Partnersuche. Obwohl man fest liiert ist, sucht man nach einem besseren Match. Übertragen auf den Beruf bedeutet es, mental auf dem Absprung zu sein und einen Notfallplan für eine mögliche Arbeitslosigkeit aufzustellen. Wie man das macht? Über Networking, Weiterbildung und klassische Stellensuche. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit ist das schon immer eine sehr sinnvolle Strategie gewesen – neuerdings hat sie auch einen Namen.

Furwell-Urlaub oder Pawternity Leave (Hundeelternzeit)

Pawternity Leave bezeichnet eine Auszeit, die Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen in Anspruch nehmen können, um sich um ein neues Haustier zu kümmern – in den meisten Fällen einen Hund. Diese Auszeit kann mehrere Tage bis zu einigen Wochen dauern, abhängig von der Unternehmenspolitik. Vorreiter dieses Trends, der in den vergangenen Jahren an Beliebtheit gewonnen hat, war angeblich 2016 die schottische Brauerei Brewdog, die den Vierbeiner bereits im Namen trägt. Die meisten Unternehmen, die eine solche Auszeit anbieten, haben – anders als Brewdog – mit Tierprodukten zu tun. Nicht selten dürfen die Tiere nach der Betreuungszeit daheim mit ins Büro genommen werden. Pawternity Leave soll tendenziell die Zufriedenheit und die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen erhöhen sowie potenzielle neue Mitarbeiter anlocken.

Hustle Culture (Abrackern für die Karriere)

Hustle Culture wird in den sozialen Medien genauso gefeiert wie kritisiert. Sie ist das absolute Gegenteil von „Act your wage“ und scheint zunächst einmal völlig untypisch für GenZler, denen Kritiker permanent Faulheit vorwerfen. Aber es gibt sie offenbar doch noch: junge Menschen, die die Karriereleiter mit Einsatz erklimmen wollen. Ursprünglich war „Hustle Culture“ eine Arbeitshaltung, die der Boomer-Generation zugeschrieben wurde und die über die Belastungsgrenze hinaus geht. Arbeit steht dabei immer im Mittelpunkt des Lebens. Das Ziel ist, Höchstleistung zu geben, ohne Rücksicht auf die Gesundheit. Lange Arbeitszeiten und Überstunden sind selbstverständlich, Pausen nur was für Schwächlinge. Dass es auch junge Menschen gibt, die das zu ihrem Mantra erklärt haben, zeigen einmal mehr Posts auf TikTok oder Instagram, wo Menschen – darunter auch Influencer und Influencerinnen – dokumentieren, wie ihr Weg zum Erfolg aussieht. Nine-to-Five arbeiten? Fehlanzeige! Nach dem regulären Job ist vor der Weiterbildung. Dazu noch „Side Hustles“, also Nebenjobs, mit denen sie sich zusätzliches Geld verdienen. Psychologen bestätigen, dass es sich dabei nicht um Show handelt. Erschöpfung, Burn-out und sogar gesundheitsschädlicher Medikamentenmissbrauch seien häufig die Folge, heißt es.

Null-Bock-Tage (einfach mal keine Lust auf Arbeit)

Dieser Trend ist dieses Jahr erstmals zum richtig großen Thema geworden. Bei Null-Bock-Tagen, auf Englisch auch „Reset Days“ genannt, ist der Name Programm. Wer nicht will, muss nicht – auch wenn man kerngesund ist und auch sonst keine Entschuldigung hat. Die Idee dieses Arbeitsmodells: Mitarbeitende sollen sich spontan freinehmen können, wenn sie sich unmotiviert oder erschöpft fühlen, ohne dafür Urlaubstage nutzen oder eine Krankmeldung einreichen zu müssen. In deutschen Unternehmen wird sich das wohl kaum flächendeckend durchsetzen. Attraktiv scheint es dennoch. Untersuchungen zeigen, dass unsichtbare Pausen erhebliche Kosten verursachen: „Fehlzeiten und verminderte Produktivität, die aus mentaler Erschöpfung oder mangelnder Motivation resultieren, gehen für Unternehmen oft unbemerkt in die Millionen“, so Teresa Stockmeyer, Trainerin und Beraterin für Teamentwicklung. Dass das Thema nicht völlig an der Realität vorbeigeht, beweist der Berliner Kondomhersteller Einhorn. Das Unternehmen bietet seinen Mitarbeitenden seit Jahren Null-Bock-Tage an. Die einzige Vorgabe: Wer nicht will, soll es morgens transparent ansagen. Eine Nachricht im Kommunikationskanal reicht dazu. Urlaubstage gibt es bei Einhorn übrigens so wie Null-Bock-Tage theoretisch unbegrenzt. Ausgenutzt wurde das von den Beschäftigten angeblich noch nie.

Quiet Quitting (die innere Kündigung)

Quiet Quitting ging erstmals 2022 auf Tiktok viral. Angefangen hat der Social-Media-Hype mit einem Video des Amerikaners Zaid Kahn (@zaidleppin), der darin die Hustle-Culture-Mentalität kritisiert, die Arbeit als Lebenssinn sieht. Er sagt: „Die Wahrheit ist: Arbeit ist nicht dein Leben. Dein Wert als Person wird nicht durch deine Produktivität definiert.“ Seitdem haben viele junge Menschen diese Botschaft geteilt: Schluss mit „Work hard, play hard“. Dafür pünktlicher Feierabend, Zeit für Hobbies, Familie und Freunde. Die oberste Direktive: klare Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben. Aufgaben werden zwar pflichtbewusst erledigt, aber es wird auch nicht mehr gemacht als nötig. Anders als bei der Work-Life-Balance gehört zu diesem Trend vielleicht auch ein Quäntchen stiller Protest. Zusätzliche Verantwortung wird abgelehnt. Ist Not an Mann oder Frau im Büro, ist mit ihnen nicht zu rechnen. Ob die Motivation dafür das Streben nach Work-Life-Balance oder schlicht Faulheit ist, wie Kritiker sagen, lässt sich nicht sagen.

Quiet Quitting ist nur eine Ausprägung der sogenannten Quet-Trends. Inzwischen haben sich auch die Begriffe Quiet Hiring (das „stille Anwerben“ von Personal innerhalb des Unternehmens), Quiet Thriving (das stille „Gedeihen“, bei dem Beschäftigte aktiv positive Veränderungen in ihrem Arbeitsalltag suchen) und Quiet Firing (das stille Feuern, bei dem Arbeitnehmer entweder nicht angemessen unterstützt oder links liegengelassen werden, bis sie letztlich von selbst kündigen) etabliert.

Resenteeism (den Job behalten, obwohl man keinen mehr Bock hat)

Dieser Trend beschreibt die Gruppe von Arbeitnehmern, die aus den verschiedensten Gründen den Absprung vom Job nicht schaffen, obwohl sie eigentlich etwas anderes machen möchten. Das Wort setzt sich zusammen aus dem englischen „Presenteeism“ (Präsenz zeigen) und „resent“ (ablehnen). Unterm Strich kein guter Zustand, weder für Arbeitgeber noch Arbeitnehmer.

Work-Life-Balance vs. Work-Life-Blending (Leben und Arbeit integrieren)

Während die einen eine rote Linie zwischen Leben und Arbeit ziehen, rühren andere beides in einem Pott zusammen. Bei der altmodischen Work-Life-Balance geht es darum, zwei Gegensätze ins Gleichgewicht zu bringen. Beim Work-Life-Blending sind diese Grenzen aufgehoben. Arbeit ist Teil des Lebens. Privat- und Berufsleben gehen fließend ineinander über. Ein konkretes Beispiel: Arbeiten am Spielfeldrand, während die Kinder Sport machen. Ist das zielführend? Für manche ja, weil sie nicht das Gefühl haben, alles in einem festen Zeitplan unterbringen zu müssen. Sie sind flexibel. Für andere nein, weil es keinen festen Feierabend und damit eine definierte Erholungszeit gibt. Es gibt einfach kein Rezept für alle.