Ein Blutbad mit langer Vorgeschichte

Acht Jahre nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz in Berlin hat es wieder auf einem Weihnachtsmarkt in Deutschland ein Blutbad gegeben. Abermals fuhr ein Mann in mörderischer Absicht in eine arglose Menschenmenge, die dort in Vorfreude auf die Festtage zum Reden, Feiern, Essen und Trinken zusammengekommen war.

Wegen der Ähnlichkeit der furchtbaren Ereignisse und der Nähe zum Jahrestag vom Breitscheidplatz lag es, als die erste Schreckensmeldung lief, nahe anzunehmen, dass es auch in Magdeburg ein Islamist war, der möglichst viele Menschen ermorden und verletzten wollte. Nach allem, was bisher bekannt ist, war der mutmaßliche Täter, geboren in Saudi-Arabien, aber eher das Gegenteil: ein Anti-Islamist, der sich vom Islam losgesagt hatte und mit der Politik der AfD sympathisierte.

Keine unbeschriebenen Blätter

Zum Unbegreiflichen an dieser Tat gehört, dass es sich bei dem mutmaßlichen Attentäter um einen schon lange in Deutschland lebenden und arbeitenden Facharzt für Psychiatrie handelt, einen Menschen also, der von Berufs wegen und aus Überzeugung anderen Menschen hilft.

Doch sind auch Ärzte nicht gefeit gegen Erkrankungen aller Art und auch nicht gegen politische Radikalisierung bis hin zu dem wahnsinnigen Entschluss, möglichst viele Menschen umzubringen. Startpunkt dieses inneren Eskalationsprozesses scheint in diesem Fall die Distanzierung vom Islam und der Hass auf das Regime in Saudi-Arabien gewesen zu sein, der sich offenbar aber auch mit einer wachsenden wirren Wut auf den deutschen Staat mischte.

Auch dieser Fall erinnert daran, dass Flüchtlinge nicht als unbeschriebene Blätter zu uns kommen. Sie haben, wie jeder Mensch, eine Vorgeschichte, die in ihren Fällen häufig geprägt ist von Gewalterfahrungen und anderen Traumata.

Das unsägliche Beispiel des Elon Musk

Hätte man im Fall von Taleb A. erkennen können, ja müssen, dass er nicht mehr nur Verschwörungstheorien verbreiten wollte, wie so viele, sondern ein Auto mieten, um unschuldige Menschen zu verstümmeln und zu ermorden? Gab es tatsächlich Warnungen aus Saudi-Arabien vor ihm? Wenn ja, wie haben die Behörden darauf reagiert? Wie konnte es dem Arzt gelingen, durch den Weihnachtsmarkt zu rasen, obwohl die Plätze, auch der Alte Markt in Magdeburg, seit dem Attentat vom Breitscheidplatz besonders abgesichert sind und von der Polizei geschützt werden?

Nichts werde ununtersucht bleiben, versprach Bundeskanzler Scholz. Wenn man mehr weiß als jetzt, kann auch die politische Aufarbeitung beginnnen. Dem unsäglichen Schnellschuss-Beispiel von Trumps Leibberater Musk, der die Tat zu einer neuerlichen Einmischung in den deutschen Wahlkampf nutzte, sollte man hierzulande nicht folgen.

Was die Untersuchungen auch ergeben mögen: Fest steht schon lange, dass es keine vollkommene Sicherheit vor fanatischen Attentätern geben kann. Das entbindet den Staat selbstredend nicht von der Verpflichtung, im Rahmen von Recht und Gesetz das Maximale zu tun, um seine Bürger vor Terrorismus jeder Art zu schützen – damit nicht alle Jahre wieder aus einem Fest des christlichen Glaubens, des Friedens und der Freude furchtbare Tage des Entsetzens, der Trauer und der Unsicherheit werden.