Wenn die Begriffe „Afrika“ und „Museum“ zusammentreffen, kommt vermintes Gelände in Sicht. Fast immer geht es um Kolonialverbrechen, Kunstraub und Restitution, europäische und indigene Narrative, und regelmäßig stehen sich zwei Seiten gegenüber, eine, die Forderungen stellt, und eine andere, die mehr oder minder bereitwillig nachgibt. Ein kulturgeschichtlicher Blick, der nach Kontinuitäten sucht, Entwicklungen, die durch den Hochkolonialismus nur unterbrochen, nicht abgebrochen wurden, steht bei solchen Debatten auf verlorenen Posten. Unter den vielen Geschichten, die man über Afrika erzählen kann, sticht die eine, die Leidensgeschichte, alle anderen aus, zumindest auf absehbare Zeit.
Die Ausstellung „Planet Africa“ in der James-Simon-Galerie auf der Berliner Museumsinsel will diesen Mechanismus durchbrechen. Hier bekommt der Kontinent jene „agency“, sprich Handlungsmacht, zugeschrieben, von der postkoloniale Aktivisten sonst nur abstrahierend reden, und zwar in einem umfassenden, menschheitsgeschichtlichen Sinn. Denn Afrika ist nicht nur die Urheimat des Menschen, sondern auch die Landmasse mit der größten Biodiversität, dem größten humanen Genpool und der größten Zahl gesprochener Sprachen auf der Erde.
Eine einzigartige Vielfalt von Kulturformen
Das tropische und subtropische Klima, das in weiten Teilen des Kontinents herrscht, hat die Ansiedlung bestimmter Nutzpflanzen wie Brotgetreide und Kartoffeln und die Erschließung von Verkehrswegen eingeschränkt, aber es hat zugleich eine einzigartige Vielfalt von Ethnien und Kulturformen hervorgebracht – ganz davon abgesehen, dass es der prähistorischen Menschheit in Krisenzeiten wie jener nach der Toba-Katastrophe vor 74.000 Jahren, als nur noch etwa zweitausend Hominiden existierten, das Überleben sicherte.
Die Ausstellung, die vom Deutschen Archäologischen Institut zusammen mit dem Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte, der Universität von Ghana in Accra und einigen unabhängigen Experten kuratiert wird, blättert die lange Geschichte des Kontinents in zwanzig Schauboxen auf, die jeweils einen Teilaspekt durch Fotos, Texte, Dokumentarfilme und Animationen erschließen und durch Vitrinen mit Leitobjekten ergänzt werden. Dabei geht es, wie die Sektion zu afrikanischen Schriften zeigt, nicht bloß um historische Kulturleistungen, sondern auch um deren Auswirkungen auf die Gegenwart. Das Tifinagh-Alphabet, das von den Tuareg und anderen Berbervölkern geschrieben wird – es prangt auch auf marokkanischen Verkehrszeichen –, stammt aus dem antiken Libyen, und in Äthiopien und Eritrea wird noch immer eine Schrift verwendet, die das spätantike Reich von Aksum vom arabischen Stamm der Sabäer übernommen hatte.
Neben der entsprechenden Box ist in einer Vitrine ein Wandfragment mit meroitischen Schriftzeichen aus dem vierten Jahrhundert zu sehen. Weitere Vitrinen enthalten Tierknochen, Papyri, Kochgeschirre, Flaschen mit Bananenbier und Palmwein oder Kosmetikprodukte auf Basis afrikanischer Rohstoffe. Die Ausstellung, die auch in München und Chemnitz und in fünf afrikanischen Staaten gezeigt werden soll, darf auch mit anderen Exponaten bestückt werden, nur ihre Informationsmodule sind vorgegeben.
Weil sie im Wesentlichen aus Bild- und Textdateien bestehen, die auf verschiedene Trägermaterialien gedruckt werden können, passen die zwanzig Boxen auf einen USB-Stick. Auf diese Weise kann die Ausstellung um die Welt reisen, ohne dass die Objekte mitreisen müssen. Sie wechselt ihre Fassade, aber nicht ihren Bauplan, sie schöpft aus dem Reichtum lokaler Bestände, ohne sich in ihm zu erschöpfen.
Objekte unter Waben aus Rattan und Teak
Zu den archäologischen Stätten, an denen wichtige Zeugnisse für die Entstehung der Menschheit gefunden wurden, zählt auch die Olduvai-Schlucht im Norden von Tansania. In der Ausstellung „Geschichte(n) Tansanias“, die das Humboldt Forum gemeinsam mit den Staatlichen Museen und tansanischen Partnern entwickelt hat, hätte die Schlucht mit ihren Relikten von Hominiden einen guten Ausgangspunkt für die Betrachtung sowohl der langen, tellurischen als auch der jüngeren Geschichte des Landes abgeben können. Aber die Ausstellung geht einen anderen Weg.
Auch sie ist als Überblick angelegt, aber schon nach kurzer Zeit verliert sie sich in Details. Auch sie zeigt Objekte, aber statt sie in Zeit und Raum zu lokalisieren, hüllt sie sie in mythische Deutungen und Bedeutungen. Und wo der Besucher in der James-Simon-Galerie auf Schritt und Tritt eingeladen wird, sich auf die Realität Afrikas einzulassen, kehrt sich diese Realität unter den zeltartigen Waben aus Rattan und Teak, die die Ausstellungsarchitektin Patricia Mhoja Bandora ins Humboldt Forum gestellt hat, demonstrativ von ihm ab.
Der Aufwand für diese Abkehr ist freilich beträchtlich. Alle Ausstellungswaben sind mit Medienstationen bestückt, jede Vitrine bietet Objekttexte in Suaheli, Englisch und Deutsch. Ein Leitfaden, eine Erzählung, in der alle Objekte ihren Platz fänden, ist dennoch nicht erkennbar. Von der Handelsmetropole Kilwa vor der tansanischen Küste, die vom zwölften bis zum sechzehnten Jahrhundert blühte, springt die Ausstellung unvermittelt in die Kolonialzeit. Aus ihr stammen etwa der Pfeifenkopf des Nyamwezi-Anführers Mirambo, der Stuhl einer Herrscherin der Kimbu aus Singida Irumbu sowie acht Eisenkugeln aus dem Arsenal des Sklavenhändlers und Guerillakämpfers Hassan bin Omari, der 1895 von Soldaten der Kolonie Deutsch-Ostafrika gefangen genommen und hingerichtet wurde.
In welcher Region Tansanias, das fast die dreifache Fläche Deutschlands umfasst, die Besitzer der Gegenstände genau lebten und handelten, erfährt man nicht. Auch die übrigen Informationen über sie sind nicht völlig wertfrei, denn der Nyamwezi-Chief handelte eben nicht nur „vor allem mit Elfenbein“, wie es im Ausstellungstext heißt, sondern wie selbstverständlich auch mit Sklaven. Seine Feinde hielt er mit einer Armee von Kindersoldaten in Schach, die er mit europäischen Schusswaffen ausrüstete.
Solche Warlord-Karrieren waren damals typisch, denn nach der Schließung der Sahara-Sklavenroute durch die französische Kolonialmacht wurden Tansania und insbesondere das vor der Küste gelegene Sansibar zur Drehscheibe des Menschenhandels in die arabische Welt. Die deutsche Kolonialverwaltung, die ihre Interessen mithilfe einer von deutschen Offizieren geführten „Schutztruppe“ aus afrikanischen Söldnern durchsetzte, zerstörte dabei jahrhundertealte Strukturen, zu denen auch die Ausbeutung der Bewohner des Hochlands durch die vom Islam geprägte Küstenbevölkerung gehörte. Als der deutsche Gouverneur im Jahr 1905 eine Kopfsteuer einführte, vereinigten sich beide Gruppen zu einer Rebellion, die den gesamten Süden des Landes erfasste, dem Maji-Maji-Aufstand.
Von ihm zeugt das wohl bedeutendste Exponat der Ausstellung, eine unscheinbare Ledertasche, die 1907 als „Sack mit Utensilien eines Zauberers“ ins Ethnologische Museum Berlin eingeliefert wurde. Sie enthielt die spiritistische Apotheke des Kinjikitile Ngwale, des Auslösers der Widerstandsbewegung, deren Anhänger sich mit einer Paste aus Hirse und „heiligem“ Wasser einrieben, bevor sie sich ins Gewehrfeuer der deutschen Schutztruppe stürzten. Die Tasche ist ein zentraler Erinnerungsort des tansanischen Staates und sollte umgehend restituiert werden, aber den Kuratoren im Humboldt Forum bedeutet sie offenbar weniger als die Relikte regionaler Herrschaftszentren und Stammesgemeinschaften, deren Rivalitäten das Land bis heute prägen.
Auch diese Zersplitterung wäre ein interessanter Teil der „Geschichte(n) Tansanias“, wenn die Ausstellung sie thematisieren würde. Doch man hofft vergeblich darauf, von ihr in die Gegenwart geführt zu werden. So wie das Humboldt Forum an seinen teils durch Raub und Betrug zusammengetragenen Sammlungen würgt die Schau an den Verheerungen der Kolonialzeit, von der sie, in Ermangelung eines historischen Konzepts, doch kein klares Bild zeichnen kann.
Ausstellungsdidaktik ist auch eine Frage des Budgets. Die „Geschichte(n) Tansanias“ wurden mit einer Million Euro aus dem Etat der Kulturstaatsministerin bezuschusst, „Planet Africa“ mit einer halben Million vom Auswärtigen Amt, und diesen Unterschied sieht man den beiden Präsentationen an. Aber aus der James-Simon-Galerie kommt man angeregt und neugierig, aus den Ausstellungssälen im Humboldt Forum verwirrt und düpiert heraus. Die Anschaulichkeit, die im einen Fall mit eher kargen Mitteln erreicht wurde, wird im anderen mit üppiger Ausstattung verfehlt. Dass die Tansania-Schau „Prozesse der Versöhnung, Wiedergutmachung und Restitution“ anstößt, wie ihre Veranstalter hoffen, ist dennoch nicht ausgeschlossen. Doch sie belehrt nur die bereits Wissenden. Die Geschichte Afrikas aber sollte man allen erzählen, die sie hören wollen. Das wäre in Humboldts Sinn.
Planet Africa. James-Simon-Galerie, Museumsinsel Berlin, bis 24. April 2025. Geschichte(n) Tansanias. Humboldt Forum, seit 29. November. Jeweils kein Katalog.