Im sibirischen Permafrost hat ein russisches Forschungsteam die ungewöhnlich gut erhaltenen Reste einer kleinen Säbelzahnkatze gefunden. Das Tier, das nur etwa drei Wochen alt geworden ist, lag den Wissenschaftlern zufolge 35 500 bis 37 000 Jahre lang tiefgefroren in einem Eisbrocken. Wie das Team um den Biologen Alexei Lopatin nun in der Wissenschaftszeitschrift Scientific Reports berichtet, wurde die Eismumie bereits 2020 nahe dem Fluss Badjaricha in der Region Jakutien oberhalb des Polarkreises entdeckt.
Den Forschern zufolge gehört das Kätzchen zu der vor etwa 12 000 Jahren ausgestorbenen Art Homotherium latidens. Mumifiziert erhalten sind nicht das ganze Tier, sondern nur Kopf und Oberkörper, diese dafür sehr gut, mit krallenbewehrten Pfoten und Schnurrhaaren. Von Hüfte und Hinterbeinen wurden lediglich Knochen gefunden.
Säbelzahnkatzen waren Raubtiere, die einst in Amerika, Eurasien und Afrika vorkamen und nach dem Ende der letzten Kaltzeit ausstarben. Sie sind nicht zuletzt aus Familienfilmen wie „Ice Age“ bekannt. In der Realität waren die meisten Gattungen kleiner als ein heutiger Leopard. Tiere der Gattung Homotherium, auch Scimitarkatzen genannt, konnten dagegen recht groß werden. Dafür waren ihre Eckzähne etwas kleiner als bei anderen Säbelzahnkatzen. Ausgewachsene Exemplare von Homotherium hatten zwar eine andere Statur als heutige Löwen, ihre Körper waren kleiner und ihre Gliedmaßen länger. Sie erreichten aber wohl eine ähnliche Gesamtgröße und werden auf ein Lebendgewicht von bis zu 400 Kilogramm geschätzt.
Es ist nicht das erste Mal, dass Forschende im Permafrost Exemplare ausgestorbener Tierarten entdecken
Das russische Forschungsteam verglich die Mumie aus Sibirien deshalb mit der Anatomie heutiger Löwenjungen im gleichen Alter. Dabei stellte es einige Unterschiede fest. In der Studie heben die Autoren vor allem die dickere, muskulöse Halsregion vor, die mehr als doppelt so kräftig sei wie bei einem heutigen Löwenjungen. Die kleine Säbelzahnkatze hatte zudem einen etwas größeren Schädel, aber kleinere Ohren und längere Vorderbeine sowie eine stark verkürzte und verbreiterte Nase. Außerdem hatte das prähistorische Jungtier ein dichteres, dunkleres Fell mit bis zu drei Zentimeter langen Haaren, sowie breitere, abgerundete Pfoten als heutige Löwen. Vermutlich war das eine Anpassung an die kalte Umgebung und das Laufen im Schnee.
Insgesamt erweitere die Entdeckung der Mumie das Verständnis darüber, wie weit die Gattung verbreitet war, heißt es in der Studie. „Zum ersten Mal in der Geschichte der paläontologischen Forschung wurde das äußere Erscheinungsbild eines ausgestorbenen Säugetiers, das keine Entsprechung in der modernen Fauna hat, direkt untersucht.“
Nicht zum ersten Mal kommt es dagegen vor, dass im Permafrost konservierte Exemplare lange ausgestorbener Tierarten entdeckt werden. Mehrmals wurden in Sibirien etwa Wollnashörner oder Mammut-Mumien gefunden. Aufsehen erregte 2007 der Fund eines Rentierzüchters am Oberlauf des Flusses Juribei im Nordwesten Sibiriens: Dort kam ein im Eis konserviertes Mammut-Jungtier zum Vorschein, das vor rund 40 000 Jahren im Alter von etwa einem Monat gestorben war und als besterhaltenes Exemplar dieser Tierart gilt. Der Finder nannte die Mumie Ljuba, nach seiner Ehefrau. 2022 entdeckten Goldsucher im kanadischen Yukon-Territorium ein ähnlich altes Wollmammut-Baby; sie nannten es „Nun cho ga“, was so viel bedeutet wie „großes Tierkind“. Bei der Säbelzahnkatze sprechen die russischen Wissenschaftler bislang schlicht von der „Badjaricha Mumie“.