Nach dem Scheitern der Ampel bringen sich die Parteien für den Wahlkampf in Stellung. Die Frage ist: Wann wählt Deutschland? Die Opposition kritisiert den Zeitplan von Bundeskanzler Scholz. Alle Entwicklungen im Liveticker.
Die Ampel-Koalition ist gescheitert, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) regiert mit einer rot-grünen Minderheitsregierung weiter. Er will im Januar die Vertrauensfrage stellen und Neuwahlen Mitte März einleiten. Doch die Opposition verlangt mehr Tempo.
Ampel-Koalition in der Krise – der Liveticker:
07:40 Uhr – Esken bekräftigt Zeitplan und Scholz als Kanzlerkandidaten
Die SPD hält nach den Worten von Co-Chefin Saskia Esken an ihrem Zeitplan für die Vertrauensfrage fest und will weiterhin mit Olaf Scholz in den Wahlkampf ziehen. Die Entscheidung für den Zeitpunkt der Vertrauensfrage habe Scholz getroffen und es gebe gute Gründe dafür, sagte Esken im ZDF. „Weil wir der Auffassung sind, dass wir jetzt in den wenigen Wochen bis zur Weihnachts-/Winterpause noch wichtige Vorhaben auch umsetzen wollen, auf die das Land nicht warten sollte.“ Dabei gehe es unter anderem um die Stabilisierung der Industrie. Die Entscheidungen sollten nicht in einer Wahlkampfsituation getroffen werden, die sofort nach einer Vertrauensfrage entstehen würde.
Trotz der schlechten Umfragewerte für Scholz bekräftigt Esken dessen Position als Kanzlerkandidat der SPD. „Wir sind überzeugt, dass wir mit ihm gemeinsam auch diese Bundestagswahl gewinnen können.“
07:05 Uhr – Rufe nach schnellerer Neuwahl werden lauter
CSU-Politiker Manfred Weber, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP), sieht für die Unionsforderung nach einer schnellstmöglichen Neuwahl des Bundestages auch internationale Gründe. „Putin und andere Feinde Europas dürfen nicht die Nutznießer sein eines führungsschwachen Kanzlers Scholz und des Versagens der Ampel“, sagte Weber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Weder Deutschland noch Europa können sich eine lange Schwächephase leisten, gerade auch vor dem Hintergrund der US-Wahl“, mahnte der CSU-Vizechef.
Auch Union-Kanzlerkandidat Merz und CSU-Chef Markus Söder wollen SPD und Grünen nicht beim Weiterregieren helfen und drängen auf eine schnelle Neuwahl. Es gehe nicht an, irgendwelche Ampel-Projekte künstlich „durchzuwinken“, sagte Söder in der ARD. Merz bekräftigte, vor einer Vertrauensfrage werde die Union mit Scholz nicht über gemeinsame Beschlüsse sprechen.
Auch AfD-Chefin Alice Weidel erklärte: „Nächste Woche haben wir eine Regierungserklärung am Mittwoch – da könnte er (Scholz, Anm.) zum Beispiel die Chance nutzen, die Vertrauensfrage zu stellen.“
06:00 Uhr – Lindner will wieder Finanzminister werden
Christian Lindner will nach seinem Rauswurf aus der Ampel-Koalition nicht Fraktionschef der FDP im Bundestag werden. „Ich will ja in der nächsten Regierung wieder mitwirken. Deshalb wäre es ja nicht sinnvoll, jetzt den Fraktionsvorsitz zu übernehmen“, sagte der 45-Jährige der „Bild“-Zeitung. Wahrscheinlich stelle sich nach der Bundestagswahl die Frage, ob die Union mit ihm oder mit den Grünen zusammenarbeiten wolle. Bereits zuvor hatte Lindner deutlich gemacht, er wolle wieder Finanzminister werden.
Die Minderheitsregierung von Kanzler Olaf Scholz habe nun die Herausforderung, für ihre Vorhaben Mehrheiten im Bundestag zu organisieren „mit guten Argumenten“, sagte Lindner. Die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung sei deshalb eingeschränkt. Das habe er sich für Deutschland nicht gewünscht.
01:09 Uhr – Merz schließt Kanzlerwechsel ohne Neuwahl vorerst aus
CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz will vorerst nicht versuchen, ohne Neuwahlen Kanzler anstelle des Kanzlers zu werden. Dafür nötig wäre ein „konstruktives Misstrauensvotum“. Das würde bedeuten, dass sich Merz im Bundestag zur Wahl stellt und darauf hofft, die Mehrheit der Stimmen der Abgeordneten zu erhalten.
Dann würde er Olaf Scholz (SPD) ablösen. Da die CDU aber nach der für sie destaströs gelaufenen Wahl vor der Jahren weniger Abgeordnete als die SPD hat und eine Zusammenarbeit mit der AfD und der Linken ausschließt, ist das rechnerisch kaum möglich. Nötig wäre eine Koalition aus Union, FDP und Grünen, die die Grünen bislang ausschließen Zudem sträubt sich vor allem die CSU gegen eine Zusammenarbeit mit den Grünen.
„Aus heutiger Sicht ist das keine Option“, sagte Merz denn auch am Donnerstagabend im ARD-„Brennpunkt“. Er relativiert aber: „Was in vier Wochen sein wird, weiß ich nicht.“ Er hoffe weiter, dass Scholz „zur Vernunft kommt und die Vertrauensfrage früher stellt“, um den Weg für baldige Neuwahlen freizumachen.
„Die Grünen sind ja Teil dieser verbleibenden Restregierung, sie sind Teil des Problems“, sagte Merz. Es müsse nun abgewartet werden, wie sich die Grünen auf ihrem Parteitag am übernächsten Wochenende positionierten. Er sei zwar skeptisch, aber „vielleicht finden die Grünen noch einmal zurück zu einem vernünftigen Kurs“.
Der aus der Ampel-Regierung ausgeschiedene frühere FDP-Justizminister Marco Buschmann sprach angesichts der Mehrheitsverhältnisse von einer „hypothetischen Frage“. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine demokratisch akzeptable Mehrheit im Moment im Deutschen Bundestag für einen anderen Bundeskanzler gäbe“, sagte er. Er glaube auch nicht, „dass solche Notoperationen jetzt richtig sind. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten jetzt, dass eine Richtungsentscheidung stattfindet. Und deshalb brauchen wir zügig Neuwahlen.“
Donnerstag, 7. November:
22:31 Uhr – Söder will keine Ampel-Projekte „durchwinken“
Der CSU-Vorsitzende Markus Söder möchte die Kanzlerschaft von Olaf Scholz nicht mit den Stimmen der Unionsfraktion verlängern. In der ARD-Sendung „Maischberger“ sprach er sich dagegen aus, „irgendwelche Ampel-Projekte, die nicht mal in der Ampel eine Mehrheit haben, künstlich durchzuwinken“. Scholz will erst am 15. Januar die Vertrauensfrage stellen, um vorher noch eine Reihe von Gesetzen durch den Bundestag zu bringen. Da die verbliebenen Koalitionsparteien SPD und Grüne aber keine eigene Mehrheit haben, wären sie dabei wohl auf die Stimmen von CDU und CSU angewiesen.
21:50 Uhr – Baerbock verteidigt späte Neuwahl
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat die Entscheidung des Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) zum Zeitpunkt der geplanten Neuwahl verteidigt. Scholz habe sich nach gründlicher Überlegung für ein „geordnetes Verfahren“ entschieden, sagte Baerbock in der ARD-Sendung „Maischberger“. „Der Kanzler hat es sicher für sich klar durchdacht.“ Baerbock reagierte damit auf Kritik von CDU und CSU, die eine frühere Neuwahl verlangen. Auch der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil unterstützte in der Sendung den Zeitplan von Scholz.
21:24 Uhr – Umfrage: Mehrheit für rasche Neuwahlen
Nach dem Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition wollen die Deutschen einer Umfrage zufolge eher früher als später wählen. Bei einer Umfrage von Infratest-Dimap für die ARD sprachen sich 65 Prozent für eine möglichst schnelle Neuwahl des Bundestags aus. Einen Termin im März – wie ihn Olaf Scholz anpeilt – halten nur 33 Prozent für die bessere Lösung.
Würde der Bundestag bereits jetzt neu gewählt, könnte die Union demnach mit 34 Prozent der Stimmen rechnen. Für die AfD würden sich 18 Prozent entschieden, für die SPD 16 Prozent. Die Grünen kämen auf 12 und das BSW auf 6 Prozent. Die FDP müsste mit einem Stimmenanteil von 5 Prozent um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen.
Der Umfrage zufolge begrüßen 59 Prozent der Bundesbürger das Aus der Ampel. 40 Prozent machen die FDP für das Scheitern verantwortlich. 26 Prozent sehen die Schuld bei den Grünen, nur 19 Prozent bei der SPD.
21:17 Uhr – Heil will um Rentenpaket kämpfen
Trotz Ampel-Aus will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) das gemeinsam mit Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf den Weg gebrachte Rentenpaket noch durch den Bundestag bringen. Er werde dafür sorgen, dass es mit der Reform weitergehe, sagte Heil in einem ZDF-„Spezial“. Er setze darauf, dass dieses Jahr noch Entscheidungen getroffen würden, die Deutschland brauche und die Anfang kommenden Jahres in Kraft treten sollten.
21:06 Uhr – Merz: Mit dieser Regierung keine Reformen mehr
Oppositionsführer Friedrich Merz rechnet bis zu einer Neuwahl nicht mit größeren politischen Beschlüssen. „Wir werden mit der Regierung keine Reformen mehr hinbekommen. Wir werden mit dieser Regierung keinen Aufschwung mehr hinbekommen, sondern wir werden allenfalls ein paar Restbestände noch weggeräumt bekommen“, sagte der Kanzlerkandidat der Union in einem ARD-„Brennpunkt“.
Merz wiederholte, vor einer Vertrauensfrage werde die Union mit der Minderheitsregierung von Olaf Scholz nicht über mögliche gemeinsame Beschlüsse sprechen. „Wir werden uns hier vom Bundeskanzler nicht vorführen lassen. Wir lassen uns auch nicht für das Versagen dieser Regierung in die Mitverantwortung nehmen.“
dpa/AFP/Reuters