Nein. Die Ampel ist kaputt. Das Vertrauen ist weg.
Müsste der Kanzler also sofort die Vertrauensfrage stellen, angesichts der großen Herausforderungen nach der Trump-Wahl?
Ja. Jeder Tag, den dieser Kanzler im Amt bleibt, ist ein schlechter Tag für Deutschland.
Das ist im Augenblick nicht notwendig.
Wir haben uns drei Jahre auf diesen Tag vorbereitet. Nach der Niederlage 2021 mussten wir uns komplett neu aufstellen. Mittlerweile haben wir ein neues Grundsatzprogramm, das in der Partei einen unglaublich starken Rückhalt erfährt und die Grundlage für unser Wahlprogramm bildet. Mit Friedrich Merz haben wir einen starken Kanzlerkandiaten, der führen kann. Und im Adenauer-Haus haben wir uns bereits seit einigen Wochen auf zwei Szenarien vorbereitet. Das kommt uns jetzt zugute.
Was wird der wirtschaftspolitische Kern im Wahlprogramm sein?
Deutschland braucht wieder einen Aufbruch. Durch Deutschland muss ein Ruck gehen. Das wird nur mit einer Stärkung der Eigenverantwortung gehen. Wir müssen den Menschen wieder mehr zutrauen. Wir müssen wieder mehr ermöglichen, anstatt mit immer nur mit neuen Vorschriften zu gängeln. Vor allem werden wir wieder auf die Kräfte der Sozialen Marktwirtschaft setzen. Mit einer Agenda 2030 wollen wir Deutschland wieder zukunftsfest machen. Extrem wichtig wird aber das Sofortprogramm sein, mit dem wir kurz vor der Wahl in die Offensive gehen wollen. Dort listen wir wesentliche zentrale Punkte auf, die wir in den ersten Kabinettssitzungen verabschieden wollen.
Was wird die erste Maßnahme einer CDU-Regierung?
Zu den ersten Maßnahmen wird die Abschaffung des Bürgergelds in der heutigen Form gehören. Wir werden stattdessen unser Konzept der Neuen Grundsicherung einführen, das nicht nur fördert, sondern auch wieder fordert. Es geht darum, Menschen so zu befähigen, dass sie ihren Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft bestreiten können. Das bedeutet aber auch: Wer arbeiten kann, aber nicht arbeiten geht, signalisiert dem Staat, dass er nicht bedürftig ist. Dann bekommt er künftig keine Sozialleistung mehr. Nur so kann eine breite Akzeptanz für unseren Sozialstaat wiederhergestellt werden.
Wie viele Menschen wird das betreffen?
Eine sechsstellige Zahl. Wir müssen in Deutschland generell mehr Anreize dafür setzen, damit Arbeit in Deutschland positiver gesehen wird. Mehrarbeit wollen wir steuerlich belohnen. Außerdem planen wir eine Aktivrente, sodass Personen, die das gesetzliche Rentenalter erreicht haben, aber sich fit fühlen und freiwillig weiterarbeiten wollen, bis zu einem Betrag von zum Beispiel 2000 Euro monatlich steuerfrei etwas hinzuverdienen dürfen. Das wird Hundertausende aktivieren.
Indem wir in Europa zu eigener volkswirtschaftlicher Stärke zurückfinden und auch für unsere eigene Sicherheit sorgen. Wo ist denn das Weimarer Dreieck aus Deutschland, Frankreich und Polen hin? Bundeskanzler Scholz scheint keine echten Partner mehr in Europa zu haben. Die EU muss eine stärkere gemeinsame Handelspolitik betreiben. Mit Gegenzöllen der EU Richtung Amerika habe ich als Freihandels-Anhänger meine Schwierigkeiten. Ich lehne auch die Strafzölle der EU gegen chinesische Elektroautos ab. Wir müssen wieder wettbewerbsfähiger werden, darauf muss der Fokus liegen. Die Welthandelsorganisation WTO hat zum Abbau von tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen geführt und den Wohlstand auch in armen Ländern erhöht. Meine Sorge ist, dass mit Trumps Wahlsieg die WTO jetzt endgültig beerdigt wird.
Könnte ein Kanzler Merz Trump bremsen?
Es war ein Fehler, dass sich die Ampel so klar für Frau Harris ausgesprochen hat, wir haben uns bewusst herausgehalten aus dem US-Wahlkampf. Friedrich Merz war Vorsitzender der Atlantik-Brücke und allein schon aus diesen Gründen immer wieder in den USA. Trump wird ihn ernst nehmen. Daraus könnte eine Partnerschaft entstehen gegen Herausforderungen aus Drittstaaten, etwa aus China. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es unter Friedrich Merz und Donald Trump im Schulterschluss mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen neuen Anlauf für ein Transatlantisches Handelsabkommen geben wird, nachdem TTIP gescheitert ist. Ein neues Freihandelsabkommen würde beide Kontinente beflügeln.
Das wird schwierig mit Trump. Was könnten Merz und von der Leyen noch machen?
Beim Thema Entbürokratisierung richtig auf die Tube drücken. Trump wird eine brutale Deregulierung in den USA vornehmen, während wir über weitere Berichtspflichten und das Lieferkettengesetz diskutieren. Frau von der Leyen, eine überzeugte Transatlantikerin, hat sich vorgenommen, 25 Prozent der europäischen Berichtspflichten abzuschaffen. Jetzt muss auch geliefert werden, denn mehr als die Hälfte der Bürokratie für die deutschen Wirtschaft kommt aus Europa.
Zurück zur Innenpolitik: Deutschland leistet sich eines der komfortabelsten Systeme der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall mit entsprechend vielen Krankheitstagen. Die Lohnfortzahlung auf 80 Prozent zu reduzieren, hätte positive Wirkung, sagen Forscher.
Das halte ich für den falschen Ansatz.
Die Unternehmen stöhnen zudem über hohe Energiepreise. Wie wollen Sie das Energieangebot ausweiten und die Preise senken?
Über mehr Marktwirtschaft und Technologieoffenheit. Neben grünem Wasserstoff müssen wir offen sein für andere Farben wie etwa den blauen oder auch roten Wasserstoff. Nur dann kann der Hochlauf gelingen. Auch Kernenergie muss eine Option bleiben und wir dürfen die Forschung in diesem Bereich nicht aufgeben. Zudem wollen wir das Abscheiden und Verpressen von Kohlendioxid im sogenannten CCS-Verfahren ermöglichen, um jene Bereiche zu kompensieren, in denen auch künftig noch CO2 ausgestoßen wird. Unser Ziel ist eine CO2– Kreislaufwirtschaft, in der Kohlenstoff auch als Rohstoff genutzt wird.
Wie halten Sie es mit den Erneuerbaren?
Da muss endlich Vernunft einziehen. Wenn man nur Anlagen ausbaut, aber keine Netze und keine Speicher, kann das auf Dauer nicht funktionieren. Das sehen Sie nicht zuletzt an den sogenannten Redispatchkosten, die anfallen, wenn Kraftwerke oder Anlagen herunter- oder hochgefahren werden müssen, um die Netzstabilität bei volatiler Solar- und Windkrafteinspeisung aufrechtzuerhalten. Dafür werden jedes Jahr Milliarden Euro verbrannt. Um die Kosten zu senken, müssen wir unter anderem beim Netzausbau schneller werden. Daher wollen wir, dass auch wieder Hochspannungsfreileitungen verlegt werden dürfen, die sechsmal billiger sind als die bisher vorgeschriebenen Erdkabel. Außerdem müssen wir die Genehmigungen und Einspruchsmöglichkeiten gegen große Infrastrukturvorhaben zum Netzausbau, aber auch zur Straße abspecken. Wie nach der Wiedervereinigung sollte es meines Erachtens für Vorhaben von nationalem Rang nur noch eine oberste Gerichtsinstanz geben, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Auch über Einschränkungen im Verbandsklagerecht muss man nachdenken.
Wie glaubwürdig ist Ihre Energieagenda? Schließlich waren die unionsgeführten Regierungen für viele Bremsklötze verantwortlich: Atom- und Kohleausstieg, CCS-Verbot, Abhängigkeit beim Gas von Russland, Erdkabelvorrang…
Wir haben zwei frühere Fehler im Grundsatzprogramm aufgearbeitet, einmal in der Migrationspolitik und auch in der Energiepolitik. Es war falsch, auszusteigen, ohne ausreichend einzusteigen. Ich hoffe, dass der Wähler diese Korrekturen honoriert.
Die Quote der Sozialabgaben nähert sich der 44 Prozent. Wie lässt sich das eindämmen?
Ich bin für maximal 40 Prozent, auch wenn es dazu in meiner Partei Diskussionen gibt. Manche glauben, das sei nicht machbar, aber wenn wir den Anspruch nicht haben, läuft es weiter aus dem Ruder, und wir sind schnell bei 45 Prozent und mehr. Um die Beiträge zu stabilisieren, müssen wir in jedem Fall effizienter werden, etwa im Gesundheitssystem. In Deutschland werden auch kleinere Eingriffe noch immer stationär durchgeführt. Außerdem dürfen versicherungsfremde Leistungen nicht mehr aus Beiträgen finanziert werden.
Ein zentraler Aufreger im Wahlkampf werden die Leistungen für Migranten sein. Was ist da zu verbessern?
Da muss man unterscheiden. Ukraine-Flüchtlinge können sofort hier arbeiten. Trotzdem ist in anderen Ländern die Beschäftigungsquote viel höher. Wir setzen die falschen Anreize, auch durch das Bürgergeld, dass Flüchtlingen aus der Ukraine sofort erhalten. Ich bin deshalb dafür, dass auch für Ukraine-Flüchtlinge ab einem Stichtag das Asylbewerberleistungsgesetz gilt.
Sprechen wir über den Investitionsstau, etwa bei der Bahn…
Apropos Bahn: Ich finde es nicht richtig, wenn Politiker in Aufsichtsräten sitzen. Der Staat als Eigentümer kann Fachleute entsenden, aber bitte keine Politiker. Die haben oft gar keine Ahnung von den Themen.
Gilt das auch für das Krisenunternehmen Volkswagen?
Politiker gehören nicht in Aufsichtsräte. Das ist zumindest meine persönliche Meinung. Beim Bahnvorstand regt mich auf, dass Boni in Höhe von über 300.000 Euro ausgezahlt werden, wenn man sich selbst bescheinigt, besonders zufriedene Mitarbeiter zu haben. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Die Manager sollten meines Erachtens etwa Boni bekommen, wenn die Pünktlichkeit steigt.
Die Pünktlichkeit leidet auch unter der maroden Infrastruktur. Zur Verbesserung könnte man die Schuldenbremse lösen.
Es hapert doch oft gar nicht am Geld, sondern vor allem an den verkrusteten Strukturen. Die alte Köhlbrandbrücke in Hamburg wurde in nur vier Jahren gebaut. Nun soll die Brücke erneuert werden und 2046 fertiggestellt sein. Selbst wenn wir eine Billion Euro in die Hand nehmen würden, wird die nicht einen Tag früher fertig. Das Gegenteil passiert: Wenn wir mehr Geld haben, lehnen wir uns immer weiter zurück. Deshalb brauchen wir ein Bundesgesetz für vorrangige Infrastrukturvorhaben, das weniger Regularien und Blockademöglichkeiten sicherstellt.
Also die Schuldenbremse bleibt? Selbst Unionsministerpräsidenten zweifeln daran.
Die Schuldenbremse im Bund ist zementiert. Man sieht doch in Frankreich, wie Schulden und wirtschaftlicher Abgrund zusammenhängen. Was die Länder wollen, ist etwas anderes: mehr Flexibilität, weil ihre Bremse rigider ist als die im Bund.
Woher soll dann das Haushaltsgeld kommen, etwa für die Bundeswehr und die versicherungsfremden Leistungen, die nach Ihrer Vorstellung der Bund übernehmen soll?
Ein Rechenbeispiel: 10 Milliarden Euro im Jahr könnte durch die Abschaffung des Bürgergeldes in seiner jetzigen Form erfolgen, 10 Milliarden Euro im Jahr durch eine strengere Migrationspolitik. Ein Prozent mehr Wirtschaftswachstum bringt zudem 12 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen. Dann gibt es noch sogenannte Restposten, das sind Milliarden Euro, die nicht abgeflossen sind. Wir werden einen Kassensturz machen. Unter dem Strich müssen wir Richtung 50 Milliarden Euro und mehr kommen, um einerseits die Verteidigungsfähigkeit des Landes zu gewährleiten und diejenigen zu entlasten, die den Karren ziehen in diesem Land.
Ein Prozent Wachstum ist sportlich. Ökonomen halten nur noch 0,4 Prozent im Schnitt für machbar.
Vielleicht galt das unter der Annahme, dass die Ampel im Amt bleibt. Wir werden, sollten wir regieren, aber an vielen Stellschrauben drehen müssen, um die Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Denn das Geschäftsmodell Deutschland ist in der größten Gefahr, in der es jemals war. Bislang konnten wir hochwertige Güter exportieren und dabei auf günstige Vorprodukte und günstiges Gas aus Russland setzen. Diese Zeiten sind vorbei. Dem müssen wir aber etwas entgegensetzen.
Ihre Pläne ähneln dem Wirtschaftspapier der FDP, das die Ampel letztlich zum Einsturz gebracht hat. Brauchen Sie überhaupt noch eigenes Wirtschaftsprogramm?
Tatsächlich würden wir uns mit der FDP bei diesem Wirtschaftspapier bei vielen Punkten schnell einig werden. Aber unsere Agenda 20230, die wir Anfang Januar vorstellen werden, wird noch weitere Bereiche umfassen.