Die Aktienmärkte reagieren positiv auf den Wahlsieg von Donald Trump. Der Dow Jones springt auf ein Rekordhoch. Aber ist diese Freude von Dauer oder kommt schon bald die große Ernüchterung? Kapitalmarktstratege Stefan Riße vom Kapitalverwalter Acatis erklärt, auf welche Unternehmen und Regionen Anleger jetzt setzen könnten.
ntv.de: Donald Trump wird wieder Präsident der Vereinigten Staaten. Die Kapitalmärkte freut das erstmal. Was machen Anleger am besten aus dieser Situation?
Stefan Riße: Anleger sollten auf keinen Fall aus Aktien aussteigen. Es ist ja kaum vorherzusagen, welche seiner Ideen Trump tatsächlich umsetzen wird, und Aktien haben sich am Ende des Tages immer als am widerstandsfähigsten erwiesen. Allerdings sollte man gegebenenfalls die geografische Aufteilung seiner Investments neu ordnen. Trump bedeutet „America first“, also vor allem Steuersenkungen für US-Unternehmen. Das ist für amerikanische Aktien erstmal gut.
Es lohnt sich also, US-Unternehmen nochmal verstärkt in den Blick zu nehmen?
Ja, aber man muss genau hingucken. Trump will Steuersenkungen, aber dafür will er die Chinesen und Europäer mit Zöllen bezahlen lassen. Das betrifft auch alle US-Unternehmen, die Vorprodukte einführen oder im Ausland produzieren. Dazu gehören zum Beispiel Apple und Tesla, die ihre Smartphones und E-Autos ganz oder teilweise in China bauen lassen. Entsprechende Zölle müssen sie auf ihre Verkaufspreise aufschlagen, was die Wettbewerbsfähigkeit mindert. Insofern sind gerade die Unternehmen das ideale Investment, die von den Steuersenkungen profitieren und nicht oder wenig von den Zöllen betroffen sind – und bestenfalls nicht überteuert.
Welche Unternehmen sind das?
Das sind zum Beispiel Software- und Internetdienstleister wie die Google-Mutter Alphabet, Meta oder Microsoft. Die sind aber derzeit auch relativ anspruchsvoll bewertet. Deswegen kann man hier mal in der zweiten Reihe schauen. Profitieren werden auch Dienstleistungsunternehmen wie Restaurantketten wie McDonald’s, die ihre Produkte von lokalen Anbietern beziehen. Weil Protektionismus historisch betrachtet zu Rezession führt, ist es sinnvoll, auf resiliente Branchen zu setzen, wie beispielsweise die Lebensmittelindustrie.
Einige befürchten, dass sich die Trump-Präsidentschaft gerade für den Dienstleistungs- und Gastronomiebereich negativ auswirken könnte, wenn Trump seine Pläne zu Abschiebungen und Begrenzung von Migration wahrmacht.
Das ist ein guter Einwand. Ich glaube nur nicht, dass Trump diese Vorhaben so konsequent umsetzen wird, wie es im Wahlprogramm steht. Sicherlich wird er die illegale Migration eindämmen. Aber zum einen wurde er massenweise von Hispanics gewählt. Zum anderen ist er klug genug zu wissen, dass die Amerikaner ihr Wachstum auch von ihrer wachsenden Bevölkerung haben – und zwar nicht durch hohe Geburtenraten, sondern durch Einwanderer.
Unklar ist noch die Haltung der Trump-Regierung zu den großen Tech-Unternehmen. Einerseits steht Trump für Deregulierung, andererseits bezeichnete sein Vize J.D. Vance Google, Apple und Amazon in der Vergangenheit als „viel zu mächtig“ und drohte ihre Zerstörung an. Worauf können sich Anleger einstellen?
Ich sehe hier kaum einen Unterschied zur bisherigen Regierung. Biden wollte Google ja schon stärker regulieren. Insgesamt sind die Maßnahmen aber bisher zahm ausgefallen. Vance will zwar eine stärkere Regulierung, aber Trump ist relativ marktgläubig. Deshalb glaube ich nicht, dass er hier allzu starke Ketten anlegt. Die Tech-Unternehmen dürften keine Opfer von Trumps Vergeltungsschlägen werden.
Woran sollten diejenigen denken, die ihr Geld in deutsche Unternehmen gesteckt haben?
Wenn die Unternehmen exportorientiert sind, müssen sie mit höheren Zöllen rechnen. Das gilt vor allem für unsere Automobilindustrie, wobei BMW und VW ja auch schon viel in den USA produzieren. US-Zölle würden aber von der EU nicht unbeantwortet bleiben, was die Preise insgesamt erhöht. Gleichzeitig wird Trump von der EU verlangen, auch die Zölle gegen China anzuheben. Trump wird Europa erpressen, nach dem Motto: Ich garantiere eure Sicherheit mit unserem Militär nur, wenn ihr den gleichen Kurs gegenüber China fahrt. Möglicherweise müssen wir das aber sowieso, weil China unseren Markt sonst mit Billigprodukten überflutet, die sie in den USA nicht mehr absetzen können.
Für Europa gilt also auch: Lieber auf binnenmarkt-orientierte Unternehmen setzen?
Ja, und wenn sie exportlastig sind, dann nicht in Richtung USA oder China. Eine andere spannende Region, die nicht in Trumps Fokus ist, ist Japan. Viele japanische Unternehmen sind relativ günstig bewertet. Um das Risiko von Zöllen auszuschließen, kann man auch hier auf Unternehmen mit geringer Exportausrichtung setzen – so wie vor geraumer Zeit Starinvestor Warren Buffett.
Neben den Zöllen wird unter Trump ein weiterer Anstieg des Haushaltsdefizits und der Inflation befürchtet. Welche Auswirkungen hat das auf die Finanzmärkte?
Wir diskutieren viel zu wenig über den ständig wachsenden amerikanischen Schuldenberg. Es könnte gut sein, dass das Vertrauen in den Dollar und US-Staatsanleihen verloren geht, und das hätte Implikationen für die Finanzmärkte. Als Weltwährung hat der Dollar immer einen Bonus, aber wenn von ihr aufgrund einer steigenden Verschuldung immer mehr produziert wird, dann kann das zu einem großen Wertverlust führen.
Heute nach der Wahl sehen wir einen starken Dollar.
Das stimmt, aber das könnte nicht nachhaltig sein. Der Dollar ist ohnehin überbewertet und wenn es einen Vertrauensverlust gäbe, weil Trump zum Beispiel die Unabhängigkeit der US-Notenbank angreift, können amerikanische Staatsanleihen und der Dollar stärker fallen. Aus Sicht deutscher Anleger in amerikanischen Aktien sind Währungsrisiken ein wichtiger Aspekt. Der Standort Europa ist unter Trump zwar schwieriger als unter Biden, aber wer in den USA investiert, setzt sich einem gewissen Währungsrisiko aus.
Der Dax hat heute sehr positiv reagiert. Ist das von Dauer oder kommt bald die große Ernüchterung?
Die Börsen hatten auf einen Trump-Sieg spekuliert, von daher ist schon viel vorweggenommen. Heute sehen wir noch eine Rally, und wer meint, Trump ist gut für die Börse, der steigt jetzt noch ein und wartet nicht, dass die Kurse weiter steigen. Dass sich jetzt eine mehrmonatige Hausse anschließt, wäre deshalb unüblich. Aus dieser Wahl lässt sich erstmal nicht mehr viel Honig saugen.
Jetzt, wo die Kurse noch hoch sind, sollte man also noch Gewinne mitnehmen, bevor bald die große Ernüchterung kommt?
Ja, das ist sinnvoll zumindest teilweise, insbesondere bei den großen Technologiewerten, die so gut gelaufen sind. Das gilt auch unabhängig von der Wahl. Eine Korrektur an den Börsen scheint überfällig und insofern kann man diesen heutigen Sprung für gewisse Gewinnmitnahme gut nutzen – aber nur um Barmittel zu haben, um dann günstiger nachzukaufen. Aktien bleiben die erste Wahl. Wir erleben bisher einen sehr untypischen Verlauf für die Saison und es ist wahrscheinlich, dass wir im November oder Dezember doch noch eine stärkere Korrektur sehen. Wenn es eine Ernüchterung an den Märkten gibt, kommt sie wahrscheinlich in den nächsten Monaten.
Mit Stefan Riße sprach Victoria Robertz