Brettspiele: Genug von Monopoly und Risiko? Fünf spannende und anspruchsvolle Alternativen

Der Herbst ist die perfekte Jahreszeit für Brettspiele, zumal zum Weihnachtsgeschäft viele neue Titel auf den Markt kommen. Immer beliebter werden anspruchsvolle Expertenspiele, mit denen man sich gleich mehrere Wochen beschäftigen kann. Fünf Empfehlungen im Überblick.

Herbstzeit ist auch Spielzeit: Ein Großteil der Neuerscheinungen kommt immer rechtzeitig vor dem Weihnachtsgeschäft in den Handel. Die ideale Jahreszeit also, um sich intensiveren Spielen – und vielleicht auch mal komplexeren – zu widmen. Zumal stundenlange Monopoly– oder Risiko-Runden sich wie Kaugummi ziehen und ermüden können. Warum nicht stattdessen lieber das Hirn bei anspruchsvolleren, aber dafür spannenderen Spielen fordern?

„Expertenspiele oder Kennerspiele werden immer beliebter, weil natürlich die Spielerfahrung und die Spielkompetenz bei vielen Menschen wächst“, sagt Jens Junge, Leiter des Instituts für Ludologie (Spielwissenschaft) in Berlin. Zwar seien diese Titel meist eher hochpreisig. Dafür könnten sich Spielerunden mit diesen anspruchsvolleren Brettspielen aufgrund der Spieltiefe „auch wirklich mehrere Wochen lang auseinandersetzen.“

Eines dieser Spiele ist „Weimar“. Hier können alle am Tisch die Geschehnisse der Weimarer Republik nachempfinden und sogar beeinflussen. Aber warum muss es gleich mehrere Stunden lang dauern? „Damit sich die Komplexität der Weimarer Geschichte entfalten kann. Weil so viele Dinge mit reinspielen und ich diese auch nicht rauskürzen wollte“, erklärt „Weimar“-Autor Matthias Cramer.

Der 55-Jährige, der seit anderthalb Jahren hauptberuflich Spieleautor ist, wollte vor allem sich selbst und andere über die damalige Zeit aufklären: „Ich habe dieses Spiel gemacht, weil ich nicht verstanden habe, wie aus so einer wirklich vom Volk getragenen Revolution diese Nazidiktatur entstehen konnte“, erklärt Cramer seine Motivation, „Weimar“ zu entwickeln.

Das Spiel sei aus seiner Sicht gar nicht so kompliziert. „Die Aktionen an sich sind natürlich einfach.“ Hier sind fünf empfehlenswerte Brettspiele, die auch mal länger dauern, im Überblick.

Für Geschichtsfreunde: „Weimar – Der Kampf um die Demokratie“

„Weimar“ kommt mit hohen Hürden: Es braucht genau vier Spieler, kann bei einer Erstpartie locker sechs oder mehr Stunden dauern und fordert eine tiefe Einarbeitung in die Regeln. Als Belohnung wartet jedoch eine unvergleichlich tiefe Simulation von politischer Geschichte.

Die Spieler übernehmen eine von vier Parteien zu Zeiten der Weimarer Republik von links bis rechts, von radikal bis gemäßigt. KPD und DNVP wollen die Republik ins Chaos stürzen, SPD und Zentrum die Demokratie verteidigen.

Auf Karten wird Bezug zu wahren historischen Ereignissen genommen, wechselnde Allianzen sorgen für Spannung(en) am Tisch. Jede Partei plant ihre eigene politische Agenda durchzusetzen – alle verlieren jedoch, wenn die NSDAP die Macht übernimmt.

Stets werden die Spieler deshalb vom Gefühl begleitet: Wie weit kann ich meine eigenen Interessen vertreten, um am Ende nicht doch die Nazis profitieren zu lassen? Das erzeugt durchaus Diskussionen – auch nach dem Spiel.

„Weimar – Der Kampf um Demokratie“: Autor: Matthias Cramer, Skellig Games / Spielworxx, ab 14 Jahren, für vier Spieler, ca. 180-360 Minuten, Preis ca. 129 Euro.

Für Wirtschaftler: „Hegemony“

Die Arbeiterklasse streitet für höhere Löhne, die Kapitalisten wollen ihren Gewinn maximieren, die Mittelschicht verbindet beides – und der Staat will, dass möglichst alle glücklich sind. Vier Klassen stehen in „Hegemony“ zur Verfügung.

Diese haben höchst unterschiedliche Ziele und spielen sich mit jeweils eigenen Regeln komplett asymmetrisch. Nicht weniger als eine Nation mit ihrem Wirtschaftssystem und den politischen Grundlagen will das Spiel simulieren. Dies gelingt mit Aktionen, die über Karten gesteuert werden.

Dazu können die Spieler Einfluss für Abstimmungen über die politische Agenda sammeln. Die doppelseitigen Spielerhilfen im Großformat sind notwendig, um den Überblick über alle Möglichkeiten zu behalten. Wenn dies gelingt, schafft „Hegemony“ faszinierende Einblicke in das sozio-ökonomische Zusammenspiel eines Landes.

„Hegemony“: Autoren: Vangelis Bagiartakis und Varnavas Timotheou, Hegemonic Project Games / Giant Roc, ab 14 Jahren, für einen bis vier Spieler, ca. 90-180 Minuten, Preis ca. 115 Euro.

Für Entdecker: „Zug um Zug Legacy – Legenden des Westens“

20 Jahre gibt es schon „Zug um Zug“ – den Gewinner des Preises „Spiel des Jahres“ aus dem Jahr 2004. Seitdem wurden etliche Varianten des modernen Klassikers erdacht.

Allen gemein ist, dass durch das Sammeln und Ausspielen von farbigen Karten Zugstrecken zwischen Städten oder Stationen gebaut werden, um damit zu punkten. Zudem können damit Aufträge erfüllt werden. So weit gilt das auch für die Legacy-Variante, die im späten 19. Jahrhundert in Amerika spielt.

Das Besondere ist hierbei der sogenannte Legacy-Mechanismus: Von Partie zu Partie verändern sich die Aufgaben, eine Geschichte entwickelt sich, ja sogar das Spielbrett wird größer. Starten alle am Tisch noch im Osten der USA, darf der Gewinner einer Partie entscheiden, in welche Region der Spielplan erweitert wird.

Geheime Boxen werden geöffnet, mit viel zusätzlichem Material und neuen kleinen Herausforderungen für die folgenden Runden. Zwar steigt dementsprechend die Komplexität mit der Zeit etwas an, aber ohne zu schwierig zu werden. Für das beste Spielerlebnis sollte die insgesamt zwölf Partien dauernde Kampagne möglichst mit der gleichen Gruppe gespielt werden.

„Zug um Zug Legacy – Legenden des Westens“: Autoren: Rob Daviau, Matt Leacock und Alan R. Moon, Days of Wonder / Asmodee, ab zehn Jahren, für zwei bis fünf Spieler, ca. 20-90 Minuten, Preis ca. 100 Euro.

Für Alien-Fans: „Nemesis“

In „Nemesis“ verkörpern die Spieler die Besatzung eines Raumschiffes. Gemeinsam gilt es, sich gegen eine außerirdische Spezies, die Xenos, zu verteidigen – doch neben dem Überlebenskampf hat jeder auch noch seine eigenen Ziele.

Nicht nur die Aliens verströmen dabei eine Stimmung wie im gleichnamigen Film-Klassiker von Ridley Scott. Auch das stetige Misstrauen, ob die Mitstreiter mit ihrer Agenda einem selbst nicht doch schaden wollen, sorgt für eine dichte thematische Atmosphäre am Tisch.

Das Würfeln im Kampf ist zwar mit einigem Glück verbunden, wodurch einzelne Spieler auch frühzeitig ausscheiden können. Dennoch schafft „Nemesis“ bleibende Erinnerungen.

„Nemesis“: Autor: Adam Kwapinski, Awaken Realms / Asmodee, ab 14 Jahren, für einen bis fünf Spieler, ca. 90-180 Minuten, Preis ca. 130 Euro.

Für Teamplayer: „Frosthaven“

Ein wahres Schwergewicht ist „Frosthaven“: Allein die Schachtel wiegt 16 Kilogramm und nimmt fast ein komplettes Fach des Regals ein. Genau wie sein Vorgänger „Gloomhaven“ ist auch der Nachfolger ein kooperativer, sogenannter Dungeon Crawler in einer eigenen Fantasy-Welt. Die Spieler steuern jeweils einen eigenen Charakter durch die rund 100 Szenarien und bekämpfen gemeinsam in der Regel Monster, um den Außenposten Frosthaven vor Gefahren zu beschützen. Dabei kommt ein cleverer Kartenauswahlmechanismus zum Einsatz.

Allein der Aufbau jedes neuen Levels nimmt etwas Zeit in Anspruch. Dafür werden alle am Tisch meist mit epischen Abenteuern belohnt.

Herzstück des Spiels ist die Weiterentwicklung des eigenen Charakters. Zudem werden im Laufe der Kampagne immer mehr Szenarien und auch weitere Charakterklassen freigeschaltet.

Tipp: Zum Reinschnuppern und Einstieg in diese Spiele-Welt eignet sich besonders der kleinere Titel „Gloomhaven – Die Pranken des Löwen“.

„Frosthaven“: Autor: Isaac Childres, Feuerland Spiele / Cephalofair Games, ab 14 Jahren, für einen bis vier Spieler, ca. 30 Minuten pro Person, Preis ca. 280 Euro.

dpa/jk