Wie viel Sport steckt eigentlich in Sport1? Diese Frage ließ sich freilich auch in der Vergangenheit schon stellen, doch berechtigter als derzeit war sie in der langen Geschichte des Senders wahrscheinlich noch nie. Wenn gerade nicht die 2. Bundesliga spielt oder im „Doppelpass“ getalkt wird, dann muss man sich mitunter schon viel Mühe geben, um echte Sportinhalte bei Sport1 zu finden. Nicht mal den „Fantalk“ zur Champions League – immerhin ein solider Erfolg für den Sender – hat Sport1 momentan im Programm.
Der Grund dafür ist ein Format namens „Exatlon Germany“, auf das der neue Sport1-Miteigentümer, das türkische Unternehmen Acunmedya, so große Stück hält, dass seit der vergangenen Woche weite Teile des Programms damit geflutet werden. Mitunter läuft die Show – Wiederholungen eingerechnet – ganze sechs Stunden am Stück, was auch für einen kleinen Spartensender ein durchaus beachtliches Wagnis darstellt, zumal die Staffel auf viele Wochen angelegt ist. Die überschaubaren Quoten der ersten Tage zeigen jedenfalls, dass „Exatlon Germany“ alles andere als ein Selbstläufer ist.
Doch was ist das nun eigentlich für eine Sendung, die neuerdings bei Sport1 zu sehen ist? Ums kurz zu machen: Wer „Exatlon“ einschaltet, wird sich an eine Mischung aus „Big Brother“ und „Ninja Warrior“ erinnert fühlen. Zwei Teams mit jeweils zehn Mitgliedern – „Fighters“ und Heroes“ genannt – treten in mal mehr, mal weniger aufregenden Wettkämpfen gegeneinander an. Und wenn’s nicht gerade diverse Parcours zu überwinden gilt, verbringen sie ihre Tagesfreizeit in von Kameras überwachten Camps; dem sehr sporadisch ausgestatteten „Bad Camp“ einerseits und dem luxuriösen „Good Camp“ andererseits.
Wer Reality- und Flirtshow-erprobt ist, hat als Zuschauer definitiv einen Vorteil, denn das Teilnehmerfeld reicht von Ex-„Bachelor“ Andrej Mangold über Sternchen wie Carina Spack und Eric Sindermann. Und wer Turabi Camkiran, Aneta Sablik oder Marvin Roch sind, googlen Sie am besten in einer ruhigen Minute selbst. Sie alle eint, dass sie offenkundig leicht zu begeistern sind. Anders ist es kaum zu erklären, dass die leerstehende Lagerhalle, in der während der Auftaktfolge der zähe Team-Auswahlprozess zelebriert wird, regelrechte Begeisterungsströme auslöst, obwohl der Boden nass ist und die Location auch sonst ein wenig uninspiriert wirkt.
Stärkerer Fokus auf Reality?
Nicht einmal Moderator Jochen Stutzky ist zu diesem Zeitpunkt vor Ort, sondern – warum auch immer – anfangs nur auf einer überdimensionierten Leinwand zugeschaltet, um den Promis einige bedeutungsschwangere Worte mit auf den Weg zu geben, der… ja, wohin soll er eigentlich führen?
Tatsächlich gibt sich die Sport1-Produktion erstaunlich wenig Mühe, dem Publikum zu Beginn der Show zu erklären, worum genau es bei „Exatlon Germany“ eigentlich geht. Mehr Mühe als in die Regelkunde wurde dagegen offenkundig in die Sound-Effekte gesteckt. „Die härteste Challenge“, tönt es in der Auftakt-Folge – unterlegt von einem beachtlichen Hall, der die gesprochenen Worte immerzu wiederholt. Danach: „Die Mega-Challenge!“ Gefolgt von: „Champions am Limit, Limit, Limit, Limit, Limit…“ Das wirkt ein wenig, als sei man in das Fernsehen der 2000er geraten.
Verglichen mit anderen Realityshows, fehlte es „Exatlon“ in Momenten wie diesen erkennbar an Budget. Dabei hat die Show durchaus ihre guten Momente: Lässt man den verzichtbaren „Big Brother“-Abklatsch außen vor, dann könnte „Exatlon“ als sportliche Wettkampfshow durchaus abseits von „Ninja Warrior“ eine schöne Nische besetzen. Die Parcours, die die Teams in jeder Folge zu bewältigen haben, kommen jedenfalls erstaunlich aufwendig daher – was auch daran liegt, dass sie auch in anderen internationalen Versionen Verwendung finden. Von der schönen Kulisse der Dominikanischen Republik, in der die Show produziert wird, ist allerdings nur wenig zu sehen.
Und auch wenn „Exatlon Germany“ im Laufe der ersten Woche ein wenig an jener Dynamik gewann, die insbesondere die Auftaktfolge über weite Strecken vermissen ließ: Ein Stück weit fehlt dann doch die Fantasie, dass diese Show dauerhaft neue Impulse bei Sport1 auslösen kann. Vielleicht aber sollte sich Sport1 aber auch einfach nur ehrlich machen und über einen echten Restart nachdenken. Wenn der Fokus auf Reality alles andere überlagert, dann stellt sich irgendwann zwangsläufig die Frage, ob es es perspektivisch überhaupt noch teure Sportrechte benötigt, mit denen verzweifelt versucht wird, dem Namen des Senders gerecht zu werden.
„Exatlon Germany“, Montag bis Freitag um 20:15 Uhr bei Sport1