Frankfurter Schüler gegen Fast Fashion

Die Säcke mit alter Kleidung türmen sich an der Wand. Hosen, Kleider, Jacken, Röcke, Pullis, T-Shirts, in allen Farben. 685 Kilogramm Altkleider haben die Schüler der Klasse 7e an der Elisabethenschule in den vergangenen vier Wochen schon gesammelt. So viele waren es am Montag um 12 Uhr. Wahrscheinlich sind inzwischen noch einige Säcke hinzugekommen.

685 Kilogramm, das bedeutet der vierte Platz im „Textil Race“ der Frankfurter Schulen, das an diesem Dienstag zu Ende geht. Zehn Klassen an zehn Schulen beteiligen sich in diesem Jahr an dem Wettbewerb. Außer der Elisabethenschule sind die KGS Niederrad, die Helene-Lange-Schule, die Anna-Schmidt-Schule, die Schule am Mainbogen, die Viktoria-Luise-Schule, die Louise-von-Rothschild-Schule, die Bonifatiusschule, die Karl-Popper-Schule und die Europäische Schule mit dabei.

An all diesen Schulen sammeln die Schüler die alten Klamotten nicht nur, um sie wieder in den Kreislauf einzuspeisen oder sie ordnungsgemäß zu verwerten. Das Projekt macht auch auf den Umgang mit Kleidung aufmerksam und stellt Konsumgewohnheiten infrage.

Klamotten selber flicken

Paul, 13 Jahre alt, trägt einen orangefarbenen Kapuzenpulli. Er hatte ihn gerade erst bekommen, da blieb er auch schon mit dem Ärmel an einem Treppengeländer hängen. Das Loch wurde mit orangefarbenem Garn gestopft. Hätte Paul das nicht erwähnt, sähe man es seinem Pulli gar nicht an. Sein Mitschüler Rick, zwölf Jahre alt, stopft Löcher in seinen Sachen sogar selbst. Zwei Pullis hat er schon geflickt. „Mein Vater hat mir gezeigt, wie das geht“, sagt er.

Dass kaputte Kleidungsstücke repariert werden, ist längst nicht mehr selbstverständlich. Klamotten sind inzwischen so günstig, dass sie in der Regel achtlos weggeworfen und durch neue ersetzt werden, wenn sie einen Schaden haben. In Zeiten, in denen eine neue Kinderhose günstiger ist als ein Jeansflicken, ist das nicht verwunderlich.

Aber kann es wirklich gut sein, wenn ein T-Shirt bei Primark oder anderen Billigketten nur drei oder vier Euro kostet, wie die Schüler berichten? Lucie, zwölf Jahre alt, hat darauf eine Antwort: „Die Qualität ist dann nicht gut, die Sachen gehen schnell kaputt. Und die Arbeiter verdienen auch nicht genug.“ Sie versucht deshalb, bewusst einzukaufen und darauf zu achten, dass ihre Kleidungsstücke unter guten Bedingungen hergestellt wurden. Ihre Familie kaufe viel im Avocadostore, einem Onlinemarktplatz, der nur Textilien aus nachhaltiger Produktion anbietet.

„Slow Fashion“ statt „Fast Fashion“

Vielen Schülern geht es ähnlich. Sie berichten, dass sie durch das „Textil ­Race“, an dem sich schon mehre Hundert Schulen in ganz Deutschland beteiligt haben, einen bewussteren Umgang mit Textilien gelernt haben. Die zwölfjährige Mia zum Beispiel bemüht sich um „Slow Fashion“ statt „Fast Fashion“. Ihre Familie kaufe oft bei Vinted ein, einer Handelsplattform für Secondhand-Artikel. Sie teilt ihre Klamotten auch mit ihren Freundinnen und Geschwistern. Trotzdem hat sie mehr als genug: „Mein Kleiderschrank explodiert.“

An der Elisabethenschule gibt es sogar eine Kleiderbörse, in der man gebrauchte Kleidungsstücke weiterreichen kann. Damit sie nicht vor lauter Ramsch überquillt, gilt eine einfache Regel: Gib nur solche Kleidungsstücke ab, die du auch deinem besten Freund oder deiner besten Freundin schenken würdest.

Was aber geschieht mit den Sachen, die die Schüler gesammelt haben? Einige werden weiterverwendet. Die Schüler haben die Kleidung zunächst sortiert und kleinere Schäden behoben. Sie haben sich auch selbst Stücke ausgesucht, die sie noch tragen wollen – Joscha zum Beispiel hat ein altes T-Shirt von Levis gefunden, das ihm gefällt.

Gut erhaltene Textilien werden auch auf dem Portal Kleinanzeigen verschenkt. Die meisten Sachen aber werden von einem auf die Verwertung von Kleidungsstücken spezialisierten Unternehmen abgeholt. Was genau dann damit geschieht, bleibt auf der Internetseite der gemeinnützigen Initiative „Das macht Schule“ offen. Sie bietet das aus den Niederlanden stammende Projekt seit einigen Jahren in Deutschland an.

Die Kleidungsstücke würden von einem zertifizierten Entsorger weiterverwendet oder verwertet, heißt es. Seit dem Jahr 2000 habe sich die weltweite Bekleidungsproduktion mehr als verdoppelt. „60 Kleidungsstücke kaufen wir Deutschen im Schnitt pro Jahr.“ Jedes fünfte werde so gut wie nie getragen, 60 Prozent landeten schon nach einem Jahr im Müll.