
Diese Dienstreise gestaltete sich für den Liverpool FC nur anfangs kompliziert. Der Flug nach Frankfurt war für das Team und den Betreuerstab mit Hindernissen verbunden. Technische Schwierigkeiten an der Maschine hatten den Ablauf vor dem dritten Spieltag in der Champions League durcheinandergebracht, aber nicht so weit stören können, dass daraus ein gravierender Nachteil entstanden wäre.
Die Begegnung mit der Elf von Trainer Dino Toppmöller dominierten die „Reds“ weitestgehend nach Belieben und gewannen sie 5:1. Die Eintracht erwies sich bei der neuerlichen Abreibung nur kurz als widerspenstiger Außenseiter. Doch mit zunehmender Dauer setzte sich die individuelle Klasse des Premier-League-Meisters durch. Das deutliche Resultat milderte zugleich die Probleme von Arne Slot ein wenig. Der Coach kann darauf hoffen, dass es für seine Topstar-Auswahl, die im Sommer weiter verstärkt wurde und gerade in der Königsklasse höchste Ansprüche verfolgt, mit diesem ersten Sieg nach zuvor vier Misserfolgen in Serie wieder aufwärtsgeht.
„Wir haben 5:1 verloren, da brauchen wir nicht so richtig drüber reden“, sagte Frankfurts Mario Götze dem Streamingdienst DAZN. „Das tut uns weh, wenn wir überlegen, dass wir 1:0 vorne waren. Dann kriegst Du Standardtore, das ist immer ungünstig“, führte der ehemalige Weltmeister aus.
Für einen Spieler der Liverpooler, dessen Dienste sie sich in der jüngsten Transferphase für 95 Millionen Euro gesichert hatten, war der Abend mit besonderen Emotionen verbunden. Hugo Ekitiké, bis Mitte Mai mit seinem Torinstinkt maßgeblich für die Champions-League-Qualifikation der Frankfurter mitverantwortlich, sprach von einer Rückkehr zu seiner „Familie“, mit der ihn die „bislang schönsten“ Erlebnisse als Profi verbinden. Und ihm wurde an alter Wirkungsstätte ein warmer Empfang zuteil. Entgegen ihren sonstigen Gepflogenheiten, die wenig Sympathie mit Spielern erkennen lassen, die der Eintracht den Rücken kehrten, begrüßte die lautstarke Anhängerschar in der Nordwestkurve Ekitiké mit wohlwollendem Applaus bei der Nennung der Aufstellung und später, als er eine Viertelstunde vor Schluss seinen Platz für Mo Salah räumte.
Toppmöller mit gewagter Aufstellung
Beim Blick auf die (tabellarische) Ausgangslage handelt es sich tatsächlich, auch wenn es abwegig klang, um ein Duell auf Augenhöhe: Sowohl die Eintracht als auch Liverpool brachten es – nach zuvor je einem Sieg und einer Niederlage – auf drei Punkte. Und obwohl der Gegner eine Startelf aufbot, die einen Marktwert von fast 900 Millionen Euro besaß und damit mehr als doppelt so wertvoll war wie der komplette Frankfurter Kader, schickte Dino Toppmöller seine Leute mit der Aufforderung ins Spiel, nicht wie das Kaninchen vor der Schlange auszuharren. Sie sollten ihren couragierten Stil beibehalten, hatte der Trainer angekündigt – auf Anhieb war davon nichts zu sehen. Auch seine Aufstellung war gewagt.
Alle Spieler, bei deren Tätigkeitsfeld es sich üblicherweise um den Angriff handelt, ließ er erst mal auf der Bank. Weder Jonathan Burkardt noch Elye Wahi oder Michy Batshuayi bot Toppmöller auf, auch Can Uzun blieb draußen. Stattdessen beorderte er Ansgar Knauff in die Sturmspitze, verbunden mit der Idee, dass er in den Zweikämpfen mit der Liverpooler Defensive um Kapitän Virgil van Dijk seinen Tempovorteil ausspielen könnte. Das funktionierte in seinem Fall, wie der Abend rasch zeigen sollte, zu selten.
Die Eintracht begann abwartend, zog sich tief in die eigene Hälfte zurück und spann ein engmaschiges Netz aus vielen Beinen vor dem eigenen Strafraum. Wenn der Ball dennoch durchkam, wurde er zur Beute von Michael Zetterer. Der Keeper war tags zuvor von Toppmöller wieder zur Nummer eins befördert worden und zeigte bei zwei Schüssen von Alexander Isak (8. Minute, 10.) sowie einem Kopfball von Conor Bradley (33.), dass er sein Handwerk beherrscht.
Ekitiké verzichtet auf Jubelgeste
Ein zielstrebiger Konter stellte die Kräfteverhältnisse auf den Kopf. Ausgangspunkt war ein gewonnenes Duell von Neu-Nationalspieler Nathaniel Brown gegen den DFB-Kollegen Florian Wirtz an der Seitenlinie. Über Mario Götze kam der aufgerückte Rasmus Kristensen zum Abschluss, der die Kugel an Giorgi Mamardashvili vorbei flach ins Tor drosch (26.). Dass auch jede gelungene Grätsche vom eigenen Anhang frenetisch beklatscht wurde, so wie im Fall von Knauff (30.) und Kristensen (32.), ließ die Frankfurter auf dem schmalen Grat zwischen Mut und Übermut ausrutschen.

Nach einem abgefangenen Vorstoß von Brown schaltete Liverpools Außenverteidiger Andy Robertson am schnellsten. Sein Pass über das halbe Spielfeld hebelte die weit aufgerückte Verteidigung der SGE aus. Ekitiké lief so auf Zetterer zu und „tunnelte“ ihn zum Ausgleich (35.). Der Franzose verzichtete hinterher demonstrativ auf jedwede Jubelgeste.
Zwei überlegt abgeschlossene Standardsituationen wendeten das Blatt zugunsten der Engländer: Van Dijk, der deutlich entschlossener reagierte als Aurèle Amenda, traf nach einer Ecke von links per Kopf zum 2:1 für den LFC (39.). Ibrahima Konaté, der bei gleicher Gelegenheit von der rechten Seite freistehend vor Zetterer auftauchte, machte es sodann nach (45.).
Frankfurt letztlich chancenlos
Eine Zetterer-Parade bei einem Freistoß von Wirtz verhinderte nach dem Seitenwechsel zunächst weiteres Frankfurter Ungemach (55.). Die Hereinnahme von Burkardt (für Jean-Mattéo Bahoya) änderte nichts an dem sich nun immer klarer abzeichnenden Bild: Das Liverpooler Künstlerensemble kostete es wenig Mühe, dem Engagement der Eintracht durch eine aufmerksame Staffelung seiner drei Mannschaftsteile zu begegnen, und sobald sie das Spielgerät in ihren Besitz brachten, ließen sie es mit Präzision so zirkulieren, dass die Eintracht viele Schritte vergebens laufen musste.
Bei manchem der Männer in Schwarz schwanden die Kräfte sichtbar. Zetterer stellte sich bei einem Versuch aus spitzem Winkel Ekitiké noch in den Weg (64.), doch als Cody Gakpo nach schöner Vorabeit von Florian Wirtz wiederum unbedrängt Maß nehmen konnte, war auch der beste Frankfurter ein weiteres Mal chancenlos (66.) – und endgültig klar, wer hier und heute das bessere Ende für sich haben würde. Dominik Szoboszlai setzte nach einer weiteren Vorlage von Wirtz noch das 5:1 für Liverpool drauf (70.) und verfestigte damit zugleich drei Wochen nach der 1:5-Lehrstunde bei Atlético Madrid die Gewissheit: Mannschaften dieses Formats ist der aktuelle Eintracht-Jahrgang noch lange nicht gewachsen.