50+1 Regel: Keine Ausnahmen für Leverkusen und Wolfsburg mehr

Stand: 16.06.2025 15:39 Uhr

Das Bundeskartellamt hat der DFL mitgeteilt, dass die 50+1-Regel bleiben kann, aber die DFL in der Anwendung nachbessern muss. Daraus ergeben sich Aufgabenstellungen für die DFL, die vor allem Leverkusen und Wolfsburg betreffen.

Die Behörde veröffentlichte am Montag (16.06.2025) ihre Schlüsse aus der Prüfung der 50+1-Regel. Weiterhin habe sie „keine grundlegenden Bedenken gegen die 50+1-Regel“. Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt mahnte aber drei Maßnahmen an:

  • Der heikelste Punkt: Es darf keine Ausnahmen mehr geben, der Bestandsschutz für Bayer Leverkusen und den VfL Wolfsburg, die von der Regel ausgenommen sind, dürfe es laut Bundeskartellamt auf Dauer nicht mehr geben. „Nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erscheint es nicht mehr möglich, einen dauerhaften Bestandsschutz für Vereine vorzusehen, die bereits eine Förderausnahme erhalten haben“, so Mundt unter Bezugnahme auf Leverkusen und Wolfsburgt. „Vielmehr müssen alle Klubs grundsätzlich homogene Wettbewerbsbedingungen vorfinden. Das bedeutet, dass bei allen Klubs zumindest perspektivisch sichergestellt werden muss, dass der für Neumitglieder offene Mutterverein die Profiabteilung beherrscht.“ In Leverkusen und Wolfsburg gibt es keine Muttervereine, die den beherrschenden Einfluss auf die Profifußball-Abteilungen haben. Das aber schreibt die 50+1-Regel grundsätzlich vor.
  • Maßgeblich sei zudem, „dass die DFL bei allen Vereinen der Bundesliga und 2. Bundesliga gleichermaßen für offenen Zugang zur Mitgliedschaft und damit für die Mitbestimmung der Fans sorgt“. Das Amt hatte sich im Austausch mit der DFL konkret auf die Situation bei RB Leipzig bezogen, und infrage gestellt, ob der e.V. dort „hinreichend offen“ für stimmberechtigte Neumitglieder ist.
  • Die DFL solle zudem „sicherstellen, dass die Wertungen der 50+1-Regel auch bei ihren eigenen Abstimmungen beachtet werden“. Gemeint ist hier der Streit um das Abstimmungsverhalten von Martin Kind als damaliger Geschäftsführer von Hannover 96 zum DFL-Investorendeal. Kind hat möglicherweise entgegen der Weisung des Muttervereins mit „Ja“ gestimmt Abstimmung. Die DFL habe aber „keine Maßnahmen ergriffen, um zu überprüfen, ob Herr Kind tatsächlich weisungsgemäß abstimmte, und hieraus ggf. Konsequenzen zu ziehen“.

Wie geht es weiter?

Der deutsche Fußball steht vor der Frage: 50+1 durchsetzen oder abschaffen?

  • Denkbar ist eine Einigung zwischen DFL und den angemahnten Klubs auf strukturelle Änderungen, um den Maßgaben zu entsprechen.
  • Möglich sind aber auch Lobbyismus unter den DFL-Klubs zur Abschaffung der Regel oder sogar rechtliche Schritte bestimmter Klub oder Einzelpersonen gegen 50+1.
  • Sofort umgesetzt werden müssen diese Dinge nicht. Bei den Maßnahmen könnte „im Hinblick auf ihre wirtschaftliche und sportliche Bedeutung ein längerer Übergangszeitraum gerechtfertigt sein“, so die Behörde, die das Verfahren nun einstellen will. „Das weitere Vorgehen liegt in den Händen der DFL.“

VfL Wolfsburg: „Behalten uns alle rechtlichen Möglichkeiten vor“

Der VfL Wolfsburg teilte auf Anfrage der Sportschau mit, dass er „die nun vertretene Auffassung wir weder inhaltlich für überzeugend noch im Ergebnis für sachgerecht“ hält. Man werde mit allen Beteiligten versuchen, eine tragfähige Lösung zu entwickeln. „Zur Wahrung unserer Interessen behalten wir uns zudem alle rechtlichen Möglichkeiten vor.“ Die Einschätzungen des Kartellamts nannte der VfL „rechtlich unverbindlich“.

DFL: „Werden Lösungen finden müssen“

Die DFL kündigte eine Prüfung der Empfehlungen des Bundeskartellamts an. Es sei nun möglich, „notwendige Weiterentwicklungen der 50+1-Regel aus dem Ligaverband heraus zu diskutieren und angemessene, für die Zukunft tragfähige und rechtssichere Lösungen umzusetzen“, teilte die DFL mit.

„Die 50+1 Regel ist elementarer Bestandteil des deutschen Fußballs. Das DFL-Präsidium wird sich weiter für den Schutz und den Fortbestand der Regel einsetzen“, sagte Hans-Joachim Watzke, Sprecher des DFL-Präsidiums, der Mitteilung zufolge. „Die Bewertung des Bundeskartellamts werden wir im DFL-Präsidium detailliert besprechen. Klar ist: Der gesamte Ligaverband DFL e.V. wird Lösungen finden müssen, um die Regelung gemeinschaftlich abzusichern und zu stärken.“

DFL-Präsidiumssprecher Hans-Joachim Watzke

Fanbündnis: Wer sich nicht an 50+1 hält, „muss aus dem organisierten Fußball ausscheiden“

Das Bündnis „Fanszenen Deutschlands“, das die Proteste gegen den Investoreneinstieg bei der DFL maßgeblich geprägt hatte, teilte mit: „Unsere Erwartungshaltung ist klar: 50+1 konsequent anwenden und erhalten!“ Das Bundeskartellamt habe der DFL „wie erwartet Versagen“ bescheinigt. „Das Ergebnis fordert nun die konsequente Umsetzung von 50+1, alles andere ist für uns nicht verhandelbar“, so die „Fanszenen Deutschlands. 50+1 gelte es unbedingt und mit allen Mitteln zu schützen. „Die DFL, die Vereine und ihre Funktionäre müssen jetzt Farbe bekennen. Die betroffenen Vereine müssen kurzfristig ihre Gesellschaftsform und Organisation im Sinne der 50+1-Regel anpassen oder aus dem organisierten Fußball ausscheiden.“

Tennisbälle im Berliner Olympiastadion als Protest gegen den DFL-Investor

Das Fanbündnis „Unsere Kurve“ begrüßte die Bewertung des Kartellamts, die „die Mitbestimmungsrechte der Mitglieder und Fans untermauert“. „Fußball gehört den Fans“ sei kein leerer Slogan, sondern Grundprinzip des deutschen Fußballs, teilte das Bündnis auf Anfrage der Sportschau mit. „Auch begrüßen wir ausdrücklich die Klarstellung zum unlauteren Vorgehen von Martin Kind bei der Investorenabstimmung 2024 und zur fehlenden Vereinsprägung in Leipzig.“ Nun sei es an der DFL, die Hinweise des Kartellamts umzusetzen. „Das mag eine große Herausforderung sein, aber letztlich stärkt es den deutschen Fußball und sein Alleinstellungsmerkmal – die Fans“, so „Unsere Kurve“.

50+1-Regel

Die 50+1-Regel besagt, dass die Mehrheit der Stimmanteile an einer ausgegliederten Profiabteilung immer in den Händen des von Mitgliedern bestimmten Muttervereins liegen muss. Der Einfluss von Investoren wird somit begrenzt. Eine Ausnahmeregelung gilt für Bayer 04 Leverkusen und den VfL Wolfsburg. Begründet wurden diese Ausnahmen mit einer „ununterbrochen und erheblichen Förderung über mindestens 20 Jahre“.

Einfluss durch ein EuGH-Urteil

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hatte Ende 2023 zu neuen Fragestellungen in dem Verfahren des Bundeskartellamts geführt. Der EuGH hatte eine Verbandsregel im belgischen Fußball akzeptiert, sofern diese transparent, objektiv, präzise und nicht-diskriminierend gestaltet sei und in der Praxis entsprechend durchgesetzt werde.

Gleiches gelte damit für andere Verbandsregeln, wie eben 50+1 im deutschen Fußball. Deshalb hatte Deutschlands oberste Wettbewerbsbehörde sein eigentlich bereits beendetes Prüfverfahren neu aufgenommen.

Im Fokus: Leverkusen, Wolfsburg, Leipzig, Hannover

Aber auch die vertragliche Situation zwischen Investor Martin Kind und eingetragenem Verein bei Hannover 96 wollte sich das Kartellamt genauer anschauen. Dort stand die Frage im Raum, ob das Weisungsrecht des Muttervereins in der Realität oder nur auf dem Papier besteht. Bei der hart umkämpften Abstimmung im Januar 2024 über die Einbeziehung eines Investors in die Geschäfte der DFL blieb der Eindruck, dass Martin Kind als Geschäftsführer von Hannover 96 entgegen der Weisung des Muttervereins Hannover 96 e. V. mit „Ja“ gestimmt hat. Kind machte nie öffentlich, wie er abgestimmt hat. Immer wieder kritisierte der Mutterverein, dass Kind sich gegen Weisungen stellte. Später berief der e. V. nach einem langen Rechtsstreit Kind erfolgreich ab. Das Weisungsrecht hatte die DFL zuvor „maßgeblich für die Einhaltung von 50+1“ genannt.

Zudem rückte in dem wiederaufgenommenen Prüfverfahren erstmals Rasenballsport Leipzig in den Fokus der Wettbewerbsbehörde. Bei RB Leipzig sei es möglich, dass die Zielsetzung von 50+1 nicht erfüllt werde – „aufgrund einer für stimmberechtigte Neumitglieder nicht hinreichend offenen Ausgestaltung des Muttervereins RasenBallsport Leipzig e.V.“, hieß es 2024 in einem Schreiben der Wettbewerbshüter an die Verfahrensbeteiligten. Bei RB gibt es nur etwas mehr als 20 ausgesuchte stimmberechtigte Mitglieder, die dem Investor „Red Bull“ nahestehen.

Fans des VfB Stuttgart protestieren für 50+1.

Leverkusen und Wolfsburg: Ein Kompromiss wurde nie umgesetzt

Zu den offiziell von der 50+1-Regel ausgenommenen Klubs Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg hatten das Amt und die DFL eigentlich schon eine Einigung zu den beiden Klubs gefunden. Denn der Ursprung der Prüfung durch das Bundeskartellamt reicht bis 2018 zurück. Damals hatte die DFL unter dem ehemaligen Präsidenten Reinhard Rauball und dem damaligen Geschäftsführer Christian Seifert das Bundeskartellamt darum gebeten, zu prüfen, ob die Regel mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar ist. Das Ergebnis legte das Bundeskartellamt 2021 vor: Die 50+1-Regel ist mit demnach mit Kartellrecht vereinbar, die Ausnahmen von der Regel für Bayer 04 Leverkusen und den VfL Wolfsburg sind es aber nicht. Beide Seiten fanden aber einen Kompromiss: Bei einem zu hohen Verlustausgleich durch ihre Mutterkonzerne sollten die Klubs aus Wolfsburg und Leverkusen eine Art Luxussteuer bezahlen müssen.

In dem Kompromissvorschlag war außerdem festgehalten, dass ein Gremienposten für Vereinsvertreter geschaffen wird. Weitere Ausnahmen sollte es in der Zukunft nicht geben. Mit dieser Lösung hätten die beiden Klubs Bestandsschutz gehabt und die anderen Vereine zumindest vom Kartellamt Rechtssicherheit. Dieser Kompromiss wurde auch vom Bundeskartellamt befürwortet, aber nie beschlossen – denn dann ergaben sich mit dem EuGH-Urteil sowie den Situationen in Leipzig und Hannover neue Fragestellungen.