
Auf dem Weg von Elversberg nach Magdeburg hört Nils-Ole Book die Bundesligakonferenz im Autoradio. Robin Fellhauer hat gerade ein Tor für den FC Augsburg geschossen, Horst Steffen führt mit Werder Bremen 1:0. Andere Leute haben ein Profil in den sozialen Medien, um zu schauen, was ihre ehemaligen Mitarbeiter so treiben, Book hört die Reporter ihre Namen rufen. „Ich freue mich, wenn die Jungs, die in den letzten Jahren bei uns waren, erfolgreich sind und ihre Tore erzielen“, sagt er am Telefon. Book zählt noch ein paar der „Jungs“ auf: Fisnik Asllani, Muhammed Damar, aber dann stoppt er. Nicht, weil er nicht alle benennen könnte, sondern weil es sich sonst so anhören würde, als würde er ein langes Telefonbuch vorlesen, bis er bei W wie Woltemade angekommen wäre.
Ole Book, wie er gerufen wird, war noch bis vor einem halben Jahr eine eher in Fachkreisen bekannte Fußballpersönlichkeit. Wer sich beim TV-Sender Sky zum Einzelspiel der SV Elversberg verirrte, sah ihn manchmal am TV-Mikrofon. Auch als sein Klub vergangenes Jahr plötzlich in der Relegation im Dorfduell mit dem 1. FC Heidenheim um den Bundesligaaufstieg spielte, fragten sich die meisten Leute zunächst: Wo liegt dieses Elversberg überhaupt, und was machen die an der Tür zur Bundesliga? Und vielleicht noch: Wer ist der Trainer Horst Steffen, der so freundlich redet und diesen attraktiven Fußball spielen lässt?

:„Neulich habe ich gehört, ich sei streng …“
Ihm eilt der Ruf voraus, nett zu sein: Vor dem Spiel beim FC Bayern erklärt Horst Steffen, nach welchen Prinzipien er seine Elf führt, wie er in Bremen empfangen wurde – und was er über Videospiele von Victor Boniface denkt.
Aber jetzt drängt sich eine einfache Gleichung auf: Horst Steffen ist weg. Die, je nach Geschmack, fünf bis sechs besten Spieler der vergangenen Saison – neben Asllani und Damar (beide nach Hoffenheim) und Robin Fellhauer (FC Augsburg) noch Elias Baum (Frankfurt), Semih Sahin (Kaiserslautern) und Maurice Neubauer (Hannover) – sind ebenfalls weg. Im Saarland geblieben ist der Sportvorstand Ole Book, und die SV Elversberg ist, kurzer Blick auf die Tabelle, vor dem neunten Spieltag: Erster.
Geht man mal davon aus, dass die Saison nicht noch in einen Totalabsturz abbiegt, wäre es die fünfte Spielzeit nacheinander, in denen der Klub die Erwartungen erfüllt bis übererfüllt. 2022: Aufstieg in die dritte Liga. 2023: Aufstieg in die zweite Liga. 2024: ungefährdeter Klassenverbleib in der zweiten Liga. 2025: Relegation zur Bundesliga. Da stellt sich schon die Frage, was die da in der tiefen Provinz auf ihrer Stadionbaustelle, wo sich die Spieler im Container umziehen, eigentlich richtig machen.
Für Ablösesummen gibt Elversberg wenig Geld aus, die drei Rekordtransfers der Klubgeschichte kosteten je 400 000 Euro
Vor allem, weil der Sportvorstand dabei eine zentrale Rolle einnimmt, denn der Kaderumbau ist bis zu einem gewissen Grad Teil des Elversberger Modells. Asllani, Damar und Baum waren Leihspieler, ihr Weggang war schon bei ihrer Ankunft klar, ebenso wie bei Paul Wanner und Nick Woltemade, den sich Book aus Bremen in die dritte Liga geliehen hatte. Der Branchenflüstereffekt ist dabei erwünscht: Habt ihr nicht den Woltemade ausgebildet? Hier, nehmt doch mal den Asllani. Aktuell hat der HSV den 18-jährigen Stürmer Otto Stange an die Kaiserlinde geschickt, er steht bei vier Scorerpunkten in gerade mal 70 Einsatzminuten. Für Ablösesummen gibt Elversberg notorisch wenig Geld aus, die drei Rekordtransfers der Klubgeschichte kosteten je 400 000 Euro.
„Ich glaube, am Ende hat erfolgreiches Scouting sehr viel mit Fleiß zu tun“, sagt Book, wenn man ihn nach seinem Geschäftsgeheimnis fragt. Im aktuellen Kader ist Younes Ebnoutalib so ein typischer Book-Transfer, den Book lieber Fleißtransfer nennen würde. Ebnoutalib kickte beim FC Gießen in der Regionalliga, Book holte ihn im vergangenen Winter, aktuell steht er bei sechs Zweitligatoren in acht Einsätzen. „Wir haben sehr viel Gießen geguckt letztes Jahr“, sagt Book.

„Wir“, das sind in Elversberg Book und David Blacha, größer ist das „Scoutingteam“ nicht. Bis zum Zweitligaaufstieg war Book komplett alleine, aber diese kurzen Wege, die in Elversberg noch ein bisschen kürzer sind als in anderen beschaulichen Standorten, die haben ihre Vorteile, findet er. Seit 2017 ist Book bei der SVE, rückte schnell zum Sportdirektor auf. 2018 holte er den damals weitgehend erfolglosen Trainer Horst Steffen, der blieb sieben Jahre. In diesem Sommer musste er also das tun, worin er gar keine Übung hatte: einen neuen Trainer finden.
„Wir wollten die Grundzüge unseres Spiels beibehalten. Unseren Trainer haben wir auch auf dieser Basis ausgesucht“, sagt Book. Er habe sich in der Pflicht gefühlt, der Mannschaft keinen Kompakt-Verteidigen-Fan vor die Nase zu setzen. Dass Vincent Wagner bei der TSG Hoffenheim II vorher schon Asllani und Damar trainierte, war bestimmt kein Gegenargument.
Als in Gladbach ein neuer Sportdirektor gesucht wurde, fiel schnell der Name Book
Das Spiel gegen Magdeburg vor der Länderspielpause steht stellvertretend für den präferierten Stil. Das Ergebnis von 4:0 täuscht darüber hinweg, dass es nach 15 Minuten locker 2:0 für Magdeburg hätte stehen können. Die SVE tritt in ihren Spielen nicht wie eine natürliche Spitzenmannschaft auf, versucht aber, so gut es geht eine zu sein. Wenn es so etwas wie „neutrale Zuschauer“ gäbe, hätten diese bei den Spielen ihren Spaß. Dass in dieser Spielzeit schon mehrere Punkte durch Tore in der Nachspielzeit zusammenkamen? Ist immer ein bisschen Glück, aber, ähnlich wie damals bei Bayer Leverkusen, auch ein bisschen provoziertes Glück. Nur wer den Ball in den Sechzehner spielt, kann dort ein Flippertor schießen.
Kein Mensch würde in Elversberg jemals offensiv davon reden, wieder unter die ersten Drei zu kommen, aber Book will sich ausdrücklich nicht dafür schämen, dass er besser werden will. Auf die späte Relegationsniederlage angesprochen, ändert sich immer noch seine Stimmlage, er nennt die Phase „extrem“ und „dass es einem den Boden unter den Füßen“ weggezogen habe. Book, daran lässt er keinen Zweifel, will irgendwann in der Bundesliga arbeiten. Sein Name fällt auch mittlerweile regelmäßig, wenn mal eine Stelle freigeworden ist, wie zuletzt in Gladbach. Aber es gibt neben dem Wechsel in die Bundesliga auch noch eine andere Möglichkeit, das Ziel zu erreichen. Und gerade hat Nils-Ole Book seinen Vertrag in Elversberg verlängert.