
Anlässlich der 100-Tage-Bilanz der schwarz-roten
Bundesregierung hat der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen
Gewerkschaftsbundes (DGB), Stefan Körzell, deutliche Kritik an der Politik
der Koalition geübt. Im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) warnte Körzell vor einer „leichtfertigen Debatte über die
Lohnnebenkosten“ und davor, „wahllos die Axt an die sozialen
Sicherungssysteme“ zu legen. Dies gefährde den „gesellschaftlichen
Zusammenhalt und den sozialen Frieden“.
„Immer nur zu
diskutieren, wie jene, die ohnehin am Rande der Gesellschaft stehen, den
Gürtel enger schnallen müssen, wo gespart werden kann, ob wir die
Eigenbeiträge bei der Pflege erhöhen, ob wir Gesundheitsleistungen
privatisieren – das ist nicht in Ordnung“, sagte er.
Debatte über Ungleichheit statt über Bürgergeldreform
Die CDU/CSU kritisierte der DGB-Vize für ihre
einseitige Fokussierung auf das Bürgergeld. „Die Union redet
ausschließlich über die Reform des Bürgergeldes und tut so, als könnten
wir damit unseren Staat sanieren – das ist schlicht Quatsch“, sagte
Körzell der NOZ.
Stattdessen müsse man im Bund endlich eine Debatte
über die „ökonomische Ungleichheit“ führen, die in den vergangenen
Jahren enorm gewachsen sei. „Wir sollten darüber reden, wie Reiche und
Superreiche einen höheren Beitrag zur sozialen Ausgewogenheit unseres
Landes leisten können“, sagte Körzell. Dabei sieht er die SPD als
Juniorpartner von Bundeskanzler Friedrich Merz in der Pflicht: „Es wäre
vor allem Aufgabe der Sozialdemokratie, das mehr in den Fokus zu
rücken.“
An den Kanzler appellierte der DGB-Vize,
grundsätzlich mehr Führungsstärke zu zeigen. Merz liefere nicht die
Führung, „die er von seinem Vorgänger gern so lautstark eingefordert und
den Wählern schließlich versprochen hat“, sagte Körzell. Führung habe
nicht nur mit gelungener Kommunikation zu tun, sondern auch mit der
Fähigkeit zur Moderation, „unterschiedliche Gruppen zusammenzubringen.
Und das ist im Moment noch mangelhaft.“