10 Jahre Hofspielhaus: Ein Hoch auf Christiane Brammer

In der Jubiläumsbroschüre steht’s schwarz auf bunt: 2000 Vorstellungen, 90 Eigenproduktionen, 500 Künstlerinnen und Künstler, 249 Gastspiele, 122.000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Und dann steht da noch: „42 Tränen, 43 Lachanfälle“. Das ist die offizielle Bilanz von 10 Jahre Hofspielhaus, was Ende der Woche gefeiert wird – nebenan, in der Alten Münze. 600 Leute haben schon ihr Kommen angekündigt, was Christiane Brammer lachend erzählt – und lächelnd ergänzt: „Vielleicht liegt’s am freien Eintritt?“
Das Hofspielhaus selbst ist ein fantastisches Raumgefüge: Nach dem Entree geht’s hinab zu Bar, Buffet, Bühne und Platz für 70 Zuschauer. Im ersten Stock ist eine Empore mit Platz für bis zu 60 Leuten. Jetzt erzählt Brammer im kleinen Innenhof mit 50 Plätzen in ihrer typischen Euphorie, aber auch nachdenklich, von ihrer Vision.

Klassiker: Michael Grimm als Kontrabassist in Patrick Süskinds „Der Kontrabass“ im Hofspielhaus.
Klassiker: Michael Grimm als Kontrabassist in Patrick Süskinds „Der Kontrabass“ im Hofspielhaus.
© Martin Hangen/hangenfoto
Klassiker: Michael Grimm als Kontrabassist in Patrick Süskinds „Der Kontrabass“ im Hofspielhaus.

von Martin Hangen/hangenfoto

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AZ: Frau Brammer, Sie sind nah an den Menschen. Was will das Publikum sehen?
CHRISTIANE BRAMMER: Die Leute wollen im Theater aus der gewohnten Welt raus. Und weil die gerade besonders schrecklich ist, will man auf der Bühne nicht noch einmal Schreckliches sehen.

Aber Sie machen ja kein klassisches Boulevard-Theater.
Nein, das kann und will ich auch nicht. Aber wir haben zum Beispiel „Kaltgestellt“ im Programm, eine bitter-süße Sommerkomödie von Michele Lowe um drei Frauen und ihre Ehen. „Angesichts der Möglichkeit, final mit den Herren abzurechnen, laufen die Damen zu Höchstform auf und legen alle moralischen Bedenken ab“, hat die Abendzeitung geschrieben. Da wird viel gelacht. Es geht in meinen Programmen um vieles, was die Menschen bewegt. Aber Theater ist das Gegenteil von Ideologie oder einem Vortrag. Es ist Spiel. Ich mache ein Beispiel: Da ist immer wieder von „genderfluid“ die Rede, von Identität: Bei uns war es das Musical „Ein wenig Farbe“, das damit spielt – und gut lief.

Sie haben es selbst inszeniert.
Ja, und da war eines Abends auch eine Schulklasse da mit 16-Jährigen. Von ihnen waren viele zum ersten Mal im Theater, hatten sich toll angezogen. Theater war für sie ungewohnt, vielleicht auch unheimlich, was sie da erwartet und wie sie das durchhalten. Aber am Ende haben sie frenetisch geklatscht.

Für Kinder (und Erwachsene): „Das Zauberflötchen“. Geschrieben von Burkhard Kosche für 3 Darsteller, ein 1 Tastenorchester mit Hand und Fuß und eine Erzählerin.
Für Kinder (und Erwachsene): „Das Zauberflötchen“. Geschrieben von Burkhard Kosche für 3 Darsteller, ein 1 Tastenorchester mit Hand und Fuß und eine Erzählerin.
© Hofspielhaus
Für Kinder (und Erwachsene): „Das Zauberflötchen“. Geschrieben von Burkhard Kosche für 3 Darsteller, ein 1 Tastenorchester mit Hand und Fuß und eine Erzählerin.

von Hofspielhaus

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Und was haben Sie als Flop erlebt?
Wir sind fast immer ausverkauft, aber gleich im November 2015 hatten wir das Stück „Schwestern“ für Kinder und Erwachsene. Es kam sehr gut an, weil es ernsthaft und gleichzeitig auf komisch-leichte Art vom Tod erzählt. Es geht im Stück von Theo Fransz um den Tod eines der Mädchen. Aber nach dem Anschlag auf den Musikklub Bataclan in Paris wollten die Erwachsenen das Stück nicht mehr sehen, also kamen auch keine Kinder mehr, die sonst hier immer viel gelacht hatten. Da merkt man, wie viel Theater mit der Wirklichkeit zu tun hat – und auch haben muss.

Wie würden Sie selbst das Hofspielhaus beschreiben?
Für die Geburtstagsbroschüre haben viele was geschrieben, die hier mitwirken. Meine Schwägerin, die im King-Kong-Stück spielt, hatte etwas zu kurzes verfasst. Ich habe dann KI gefragt, wie sich denn der Affe bei mir gefühlt hat – im Hofspielhaus mit Dominique Lorenz im Arm: „Es ist ein Ort, wo sogar ein Wesen wie ich sich frei fühlen kann, umgeben von der Magie im Urwald des Hofspielhauses.“ Das ist doch das schönste Kompliment.

Haben Sie denn vor zehn Jahren geglaubt, dass das Ganze was wird?
Wenn man diese Frage stellt, braucht man gar nicht erst anfangen.

Was braucht man?
Guten Text, gute Schauspieler und Publikum – und einen Kassierer!

Aber Sie haben sehr viel von Ihrem eigenen Geld reingesteckt. Und so ein Theater kann sich erfahrungsgemäß ja gar nicht selbst tragen.
Das stimmt. Die Stadt war lange zögerlich und unterstützt – Gott sei Dank – jetzt doch einzelne Projekte. Der Bezirksausschuss war von Anfang an hilfreich, hat aber selbst nicht viel Geld. Und große Sponsoren sponsern halt auch eher große Institutionen. Ich brauche also dringend Unterstützer.

„Anatevka ist überall“: „Michael A. Grimm trägt den Abend ‚Anatevka ist überall‘ ideal in allen seinen Facetten“, schrieb die AZ in ihrer Kritik
„Anatevka ist überall“: „Michael A. Grimm trägt den Abend ‚Anatevka ist überall‘ ideal in allen seinen Facetten“, schrieb die AZ in ihrer Kritik
© Hofspielhaus
„Anatevka ist überall“: „Michael A. Grimm trägt den Abend ‚Anatevka ist überall‘ ideal in allen seinen Facetten“, schrieb die AZ in ihrer Kritik

von Hofspielhaus

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Weil Sie sonst aufgeben?
Ich schenke Ihnen ein Exemplar des Jubiläumsbuchs – mit Widmung, und schreibe jetzt dazu rein: „Auf die nächsten fünf Jahre!“

Und wenn Sie an Ihr Theater denken, worüber denken Sie nach?
Von Anfang an nur über die Stücke, die ich da machen will – zusammen mit den Künstlerfreunden.

Und über die Finanzen, die Renovierung, die Handwerker..?
Darüber muss man nicht nachdenken, weil das halt stattfinden muss. Darüber kann man sich manchmal ärgern. Tu ich aber nicht, auch wenn mein Geldbeutel erschreckend leer ist. Ich spekuliere auch nicht mit Rüstungsaktien, weil das für mich nicht in Frage kommt. Aber bei mir wird trotzdem fair bezahlt, auch in die Versorgungskammer für die Künstler einbezahlt und nicht nur in die Künstlersozialkasse. Und bei mir bekommt ein Star gleichviel wie der Partner oder die Partnerin auf der Bühne.

"Kaltgestellt" mit Dominique Lorenz, Natascha Heimes und Victoria Abelmann-Brockmann.
„Kaltgestellt“ mit Dominique Lorenz, Natascha Heimes und Victoria Abelmann-Brockmann.
© Hofspielhaus / Eckbauer
„Kaltgestellt“ mit Dominique Lorenz, Natascha Heimes und Victoria Abelmann-Brockmann.

von Hofspielhaus / Eckbauer

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Und die „42 Tränen“, die auf dem Umschlag, des Jubiläumsbüchleins erwähnt sind?
Ich selbst könnte jeden Tag sagen: „Das war’s!“ Aber für manche Schauspielerinnen und Schauspieler wäre das eine Katastrophe – und hoffentlich auch für unser Publikum. Aber die erwähnten „Tränen“ sind vor allem Tränen der Rührung – bei mir und den Zuschauern, wie bei „Anatevka“, wenn der Michael Grimm als Tevje auf die Knie geht, weil seine Tochter sich umbringen will. Das Ganze spielt vor 100 Jahren und bleibt doch unglaublich aktuell und kontrovers. Ich denke darüber nach, was die Seele der Zuschauer im Moment braucht: Und da werde ich den „Kleinen Prinzen“ wieder aufnehmen, weil das die Menschen verzaubert und tröstet.

Was glauben Sie, bringt Ihnen die Zukunft?
Ich selbst kann morgen tot umfallen, aber ich glaube, dass die KI viele Arbeiten übernehmen wird, weil sie es besser kann. Es wird auch verstärkt Erlebnisse geben wie die digitale Wiederbelebung von ABBA-Konzerten. Übrig als Beruf bleibt aber jedenfalls der Künstler, weil der nicht ersetzbar ist. So wird es Theaterspiel weiterhin geben, wo ein direkter Kontakt entsteht zwischen Schauspieler und Publikum, wo ich mich persönlich angesprochen fühle. Und das gilt ganz besonders für mein Hofspielhaus.

Was wünschen Sie sich von Ihren Geburtstagsgästen?
Dass sie immer Offenheit mitbringen und das Erlebnis weitererzählen. Ich sorge im Gegenzug für gutes Theater und Unterhaltung. Und am Buffet gilt: Für Essen und Trinken ist gesorgt. 

Die Wahlmünchnerin aus Frankfurt stammt aus einer Schauspielfamilie und studierte klassischen Gesang unter anderem am Richard-Strauss-Konservatorium in München. Bekannt wurde sie unter anderem in der SWR-SchwarzwaldSerie „Die Fallers“.
Die Wahlmünchnerin aus Frankfurt stammt aus einer Schauspielfamilie und studierte klassischen Gesang unter anderem am Richard-Strauss-Konservatorium in München. Bekannt wurde sie unter anderem in der SWR-SchwarzwaldSerie „Die Fallers“.
© Veronika Eckberg
Die Wahlmünchnerin aus Frankfurt stammt aus einer Schauspielfamilie und studierte klassischen Gesang unter anderem am Richard-Strauss-Konservatorium in München. Bekannt wurde sie unter anderem in der SWR-SchwarzwaldSerie „Die Fallers“.

von Veronika Eckberg

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Hofspielhaus, Falkenturmstr. 8,  www.hofspielhaus.de.
Die Geburtstagsfeier ist am Freitag, 11. Juli, 18 Uhr, bei freiem Eintritt im Renaissance-Innenhof der Alten Münze (Hofgraben 4).
Bei freiem Eintritt geht es in der Alten Münze weiter mit dem Kindertheater „Der eingebildete Krake“ (Sa, 12. Juli, 15 Uhr). „Der Kontrabass“ (Sa, 12. Juli, 20 Uhr) kostet (für Erw. 12 Euro). Die Kinderoper
„Das Zauberflötchen“ (So, 13. Juli, 15 Uhr, hat freien Eintritt). „In 80 Tagen um die Welt“ (So, 13. Juli, 20 Uhr) kostet für Erwachsene 12 Euro.