1. FC Union Berlin: Große Pläne – die Visionen des Klubs für die Bundesliga

Nicht wirklich attraktiv, aber erfolgreich: In Spielen des 1. FC Union fallen wenige Tore, aber genau das hilft dem Bundesligaklub zurück in die Spur. Jetzt, wo die sportliche Führung neu aufgestellt ist, geht es an die großen Pläne in Berlin.

Normalerweise lässt er sich kaum ein Auswärtsspiel entgehen. Doch auch Dirk Zingler, der er in Berlin ein Logistikunternehmen mit knapp 300 Mitarbeitern leitet, hat mal Urlaub. Der Präsident des 1. FC Union weilt derzeit in Afrika. Er erholt sich, er schaltet ab. Aber der 60-Jährige wird aus der Ferne verfolgen, wie sich der Klub, dem er seit 2004 vorsteht, am Sonntag im Gastspiel bei Bundesliga-Aufsteiger Holstein Kiel (15.30 Uhr, im Sport-Ticker der WELT) schlägt.

Vor knapp zwei Wochen, als Union daheim ein 2:1 gegen Borussia Dortmund gelang, lief Zingler im Anschluss strahlend durch die Katakomben des Stadions „An der Alten Försterei“. „Das war wichtig“, sagte er: „Das tat gut.“

Mit elf Punkten liegt Union nach sechs Spieltagen im oberen Drittel der Bundesliga-Tabelle – und steht viel besser da als noch vor einem Jahr. Da waren die Berliner zwar mit Erfolgen gegen Mainz und Darmstadt perfekt in die Spielzeit gestartet, dann aber legten sie eine wettbewerbsübergreifende Negativserie von 16 Pflichtspielen in Folge ohne Sieg hin, die erst im Dezember mit einem 3:1 gegen Borussia Mönchengladbach endete.

Es waren Wochen des Frusts und der Enttäuschung, die sie in dieser Form lange nicht mehr bei Union erlebt hatten. Nach dem Aufstieg 2019 war dem Klub in seiner ersten Bundesliga-Saison drei Spieltage vor Schluss der Klassenverbleib gelungen. Im darauffolgenden Jahr qualifizierte er sich für die Conference League, ein weiteres Jahr später für die Europa League und schließlich dann noch sensationell für die Champions League. Der Fahrstuhl, den Union sinnbildlich bestiegen hatte, fuhr stetig nach oben.

Klassenerhalt erst am letzten Spieltag

Wie rasant er fuhr, wie überwältigend all das war, was da sportlich passierte, zeigt die Dokumentation „Die besten aller Tage“ sehr eindrucksvoll, die im April dieses Jahres erschien. Stefanie Vogler, die Leiterin Vertriebskommunikation bei Union, sagt darin: „Wir können uns gar nicht mehr beweisen, so richtig. Wir können gar nicht mehr das Besondere zeigen, nämlich, dass wir auch hinter der Mannschaft stehen, wenn es mal nicht läuft oder wenn es auch mal bergab geht. Das können wir seit drei Jahren ja gar nicht mehr beweisen.“

Sie konnten es dann doch. Denn fast wäre der Fahrstuhl in der vergangenen Saison in die Zweite Liga hinab gerauscht. Tränen der Erleichterung flossen, als Union am letzten Spieltag der Klassenverbleib gelang. Nach Monaten, die viel Kraft gekostet hatten – und zwei Trainer ihren Job. Mitte November 2023 gab Union die Trennung von Urs Fischer bekannt. Mit Besonnenheit und Zurückhaltung hatte er Union in höhere Sphären gehievt. Auf den beliebten Fischer folgte Nenad Bjelica. Er konnte den Negativlauf zwar vorübergehend stoppen, musste zwei Spieltage vor dem Saisonende dann aber auch gehen.

Im Sommer stellte sich Union in der Sportlichen Führung schließlich neu auf. Bo Svensson, der zuvor in Mainz tätig war, wurde als Trainer verpflichtet. Und in Horst Heldt kam ein neuer Geschäftsführer Sport. Durch die Verpflichtung von Heldt, der in dieser Funktion schon beim VfB Stuttgart, dem FC Schalke 04 und dem 1. FC Köln tätig war, rückte Oliver Ruhnert wieder auf den Posten des Chefscouts. Ohnehin wird damit gerechnet, dass er zeitnah in die Politik wechselt. Im August hatte Ruhnert, der Mitglied im Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) ist, angedeutet, dass er eine Kandidatur für den Bundestag erwägt. Und diese müsse er 2025 angehen.

Mit Svensson und Heldt in der Verantwortung ist der Klub aktuell wieder auf Kurs. Es ist zwar nur phasenweise berauschender Fußball, den Union spielt, aber die Mannschaft überzeugt wieder mit Effektivität. Mit einer Eigenschaft, die ihr in der vergangenen Saison abhandengekommen war. Sie strahlt in der Offensive nach wie vor nur selten Gefahr aus und hat neben dem VfL Bochum die zweitwenigsten Tore aller Erstligavereine erzielt (sechs) – nur Aufsteiger St. Pauli ist noch schlechter (vier). Dafür ist Union defensiv wieder stabil und hat nur vier Treffer kassiert. Lediglich RB Leipzig ist in diesem Ranking besser (zwei).

„Das Miteinander ist einzigartig“

Präsident Dirk Zingler ist froh, dass Union nach der turbulenten Vorsaison ansprechend in die neue Spielzeit gestartet ist. „Es freut mich für alle Beteiligten und tut uns gut. Ein guter Start ist aber keine Garantie für eine gute Saison, deshalb ordnen wir ihn auch ganz sachlich ein: Jeder Punkt bringt uns dem Ziel näher, auch in der kommenden Saison wieder in der Bundesliga zu spielen“, sagte Zingler WELT AM SONNTAG und lobte die „aufgeschlossene und respektvolle Zusammenarbeit“ mit Trainer Svensson und Geschäftsführer Heldt. Dies sei eine gute Basis für gemeinsamen Erfolg. Heldt wiederum sagte, wie gut es sich anfühlen würde, bei Union zu arbeiten. „Dieser Klub ist etwas Besonderes. Das Miteinander ist einzigartig und spricht für sich.“

Doch ob Svensson, Heldt oder Zingler – sie alle wissen, es geht nicht nur um das Hier und Jetzt, es geht auch um die Zukunft. Auf die Frage, wie er denn die Rolle seines Klubs im deutschen Fußball sehen würde, auch vor dem Hintergrund der gestiegenen Erwartungen und Ansprüche, sagte Zingler, dass es die Aufgabe der Verantwortlichen sei, die notwendigen Bedingungen zu schaffen, um konstant sportlich erfolgreich zu sein und den Klub für die nächsten Generationen stabil aufzustellen. „Uns beschäftigen Themen wie die Erweiterung unseres Stadions und dass es den Menschen, die sich hier zu Hause fühlen, gehören soll, die Sicherung von Gemeinnützigkeit und Mitbestimmung. Wenn uns das gelingt, werden wir eine positive Rolle im deutschen Fußball spielen“, sagte Zingler, der jüngst auf der Mitgliederversammlung über den geplanten Ausbau des Stadions referierte.

Von 22.000 auf 40.000 Plätze will Union die Kapazität erhöhen. Darunter 32.000 Stehränge, so viele wie in keinem anderen deutschen Stadion. 2026 soll der Umbau beginnen. Für die inzwischen knapp 70.000 Mitglieder gibt es die Möglichkeit, bis zu zehn Stadionaktien für je 500 Euro zu zeichnen. 120.000 Aktien gibt es insgesamt. Es gibt keine jedoch keine Dividenden und die Papiere werden nicht frei verhandelbar sein. Die Verkaufsphase soll im Dezember starten. „Mit dem Besitz dieser Aktie sind das Recht und die Verantwortung begründet, am Erhalt und an der Entwicklung des Stadions ,An der Alten Försterei’ nach Maßgabe von Gesetz und Satzung mitzuwirken“, heißt es von Vereinsseite.

Mit vereinten Kräften wollen sie beim 1. FC Union die Zukunft gestalten. Auf dem Platz ist dafür die Mannschaft verantwortlich. Wie an diesem Sonntag in Kiel. Beim bislang letzten Duell beider Klubs im Frühjahr 2019 – da waren sie noch zweitklassig – gewannen die Berliner 2:0. Über einen neuerlichen Sieg würde sich nicht nur der Präsident im Urlaub freuen.